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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

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Anweisung für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam
gelangten Gegenstände (Gewahrsamssachenanweisung)
AV d. JM vom 23. Januar 2015 (1454 - I. 153)
- JMBl. NRW S. 27 -

 

A. Allgemeine Bestimmungen
 

§ 1

Gelangen Gegenstände in den amtlichen Gewahrsam einer Justizbehörde, so haben alle beteiligten Bediensteten darauf zu achten, dass die Gegenstände vor Verlust, Verderb und Beschädigung geschützt sind. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Gegenstände, die wegen ihrer Beschaffenheit oder ihrer besonderen Bedeutung für künftige Empfangsberechtigte eine besonders vorsichtige Behandlung erfordern, mit entsprechender Sorgfalt behandelt werden.

 

§ 2

(1)  Die in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände sind in den Akten, zu denen sie gehören, besonders zu vermerken. In dem Vermerk sind neben den einzelnen Gegenständen die Aktenblätter anzugeben, deren Inhalt die für die Aufbewahrung bedeutsamen Umstände (z. B. Einlieferung, Weitergabe, Rückgabe, Einziehung) betrifft. Auf Urkunden, die in amtlichen Gewahrsam gelangt sind, ist ferner mit Bleistift das Aktenzeichen des Vorgangs zu notieren, zu dem sie gehören.

 

(2)  Der einliefernden Person eines in amtlichen Gewahrsam gegebenen Gegenstandes ist auf Verlangen über die Einlieferung eine Bescheinigung zu erteilen.

 

(3)  Bei der Weitergabe eines Gegenstandes ist der Verbleib aktenkundig zu machen. Gerät ein Gegenstand in Verlust oder wird er beschädigt, so ist dies unverzüglich der Behördenleitung anzuzeigen.

 

§ 3

Urkunden und sonstige Gegenstände, die im Falle des Verlustes nicht ohne Schwierigkeiten oder erhebliche Kosten ersetzt werden können, sind bei zeitweiliger Abgabe der Akten zurückzubehalten, sofern die Beifügung nicht ausdrücklich angeordnet ist. Bei Versendung durch die Post sind die Richtlinien für die Behandlung von Postsendungen zu beachten.

 

§ 4

(1)  Für die Aufbewahrung gelten die Bestimmungen der Abschnitte B und C. Gegenstände, die eines besonderen Schutzes vor Verlust oder Beschädigung bedürfen, sind in die besonders gesicherte Aufbewahrung (Abschnitt C) und Gegenstände, die eines solchen Schutzes nicht bedürfen, in die einfache Aufbewahrung (Abschnitt B) zu nehmen.

 

(2)  Eines besonderen Schutzes vor Verlust oder Beschädigung bedürfen insbesondere Geld, Schecks, Kostbarkeiten, Gegenstände aus Edelmetall, Wertpapiere und sonstige Urkunden, deren Besitz für die Geltendmachung von Rechten erforderlich ist (z. B. Sparbücher, Hypothekenbriefe, Bürgschaftsurkunden, Depotscheine), alle Gegenstände und Urkunden, denen aus sonstigen Gründen besonderer Wert zukommt (z. B. technische Geräte in Patentstreitigkeiten, sonstige wichtige Beweisstücke, Verleihungsurkunden, KfZ-Zulassungsbescheinigungen), in Strafverfahren beschlagnahmte Rausch- und Betäubungsmittel (Opium, Morphin, Heroin, Haschisch usw.) sowie Waffen nebst Munition.

 

(3)  Bei Vorlage von Urkunden, insbesondere bei Personenstandsurkunden, deren Wiederbeschaffung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, ist zu prüfen, ob beglaubigte Ausfertigungen oder Abschriften genügen und die Originalurkunden zurückgegeben werden können.

 

§ 5

(1)  Ist zweifelhaft, ob ein Gegenstand in die einfache oder die besonders gesicherte Aufbewahrung zu nehmen ist, obliegt die Entscheidung der Sachbearbeiterin bzw. dem Sachbearbeiter.

 

(2)  Diese bzw. dieser kann auch anordnen, dass

a)

Gegenstände, für die die einfache Aufbewahrung in Betracht kommt, in die besonders gesicherte Aufbewahrung und

b)

Gegenstände, für die die besonders gesicherte Aufbewahrung in Betracht kommt, ausnahmsweise (z. B. bei nur kurzfristiger Aufbewahrung) in die einfache Aufbewahrung

zu nehmen sind.
 

B. Einfache Aufbewahrung
 

§ 6

(1)  Die einfache Aufbewahrung obliegt der Geschäftsstelle. Sie hat hierbei die allgemeinen Anordnungen der Behördenleitung (Absatz 2) und etwaige besondere Anordnungen der Sachbearbeiterin bzw. des Sachbearbeiters zu beachten.

 

(2)  Die Behördenleitung ordnet allgemein an, wie die einfache Aufbewahrung durchzuführen ist (z. B. Aufbewahrung bei den Akten, in offenen oder verschließbaren Fächern, Schränken oder Schreibtischkästen). Schutzbedürftige Gegenstände, deren einfache Aufbewahrung nach § 5 Absatz 2 Buchstabe b) für ausreichend erachtet wurde, sind - sofern die Sachbearbeiterin bzw. der Sachbearbeiter nichts anderes anordnet - unter Verschluss zu nehmen. Deshalb ist auch immer die Möglichkeit einer Aufbewahrung unter Verschluss vorzusehen.

 

§ 7

Gegenstände, die bei den Akten aufbewahrt werden, sind in geeigneter Weise gegen Verlust zu sichern. Bei Gegenständen, die außerhalb der Akten aufbewahrt werden, ist in geeigneter Weise auf das Aktenzeichen hinzuweisen.

 

 

C. Besonders gesicherte Aufbewahrung

 

I. Aufbewahrung durch die Geschäftsstelle
 

§ 8

(1)  Stehen der Geschäftsstelle ausreichend sichere Aufbewahrungsmöglichkeiten (Stahlschrank oder ähnliches) zur Verfügung, so führt sie die Aufbewahrung selbst durch. Die Behördenleitung bestimmt in diesem Fall für alle Abteilungen der Geschäftsstelle eine Beamtin bzw. einen Beamten des mittleren Dienstes oder eine vergleichbare Beschäftigte bzw. einen vergleichbaren Beschäftigten zur Aufbewahrungsbeamtin bzw. zum Aufbewahrungsbeamten. Die besonders gesicherte Aufbewahrung von Waffen und Munition kann auch geeigneten Justizwachtmeisterinnen bzw. Justizwachtmeistern übertragen werden.

 

(2)  Geldbeträge,

a)

die im Einzelfall 100,00 € oder

b)

bei deren Verwahrung der Gesamtbetrag des aufbewahrten Geldes 1.500,00 € übersteigen würde,

sind an die Zahlstelle (§ 13) oder, wenn im Hinblick auf die Höhe des Geldbetrages deren Zuständigkeit nach den Nummern 2 u. 3 der Richtlinien für die Sicherung von Kassen, Zahlstellen und Geldtransporten des Landes Nordrhein-Westfalen (RdErl. des Finanzministeriums v. 20.11.2003) nicht gegeben ist, an die Kasse (§ 15) abzuliefern.

 

§ 9

Über die übergebenen Gegenstände ist jahrgangsweise eine Liste nach dem Muster der Anlage zu führen. Soweit es erforderlich erscheint, kann zu der Liste ein Namensverzeichnis geführt werden; die Entscheidung hierüber trifft die Behördenleitung.

 

§ 10

(1)  Die Annahme zur Aufbewahrung und die Herausgabe sind schriftlich zu verfügen. Über die Annahme ist eine Anzeige zu den Sachakten zu erstatten. Herausgabeverfügungen verbleiben mit den Belegen über die Herausgabe bei der Aufbewahrungsbeamtin bzw. dem Aufbewahrungsbeamten. Annahme- und Herausgabeverfügungen sind nach der Folge der Listennummern aufzubewahren.

 

(2)  Wird ein Gegenstand an eine Bedienstete bzw. einen Bediensteten vorübergehend herausgegeben, so ist die mit der Empfangsbescheinigung der bzw. des Bediensteten versehene Herausgabeverfügung an Stelle des herausgegebenen Gegenstandes aufzubewahren und gegen Rückgabe des Gegenstandes zurückzugeben. In der Aufbewahrungsliste ist in diesen Fällen nichts zu vermerken.

 

§ 11

(1)  Die Aufbewahrungsbeamtin bzw. der Aufbewahrungsbeamte hat die verwahrten Gegenstände unter sicherem Verschluss zu halten. Das Nähere regelt die Behördenleitung. Diese kann auch anordnen, dass der Verschluss durch zwei Bedienstete vorzunehmen ist.

 

(2)  Auf der Hülle des Gegenstandes oder auf einem an ihm zu befestigenden Zettel sind die Nummer der Aufbewahrungsliste und das Aktenzeichen zu vermerken. Urkunden sind nach der Folge der Listennummern aufzubewahren.

 

§ 12

Für die Prüfung der Aufbewahrungsliste gelten die Bestimmungen des § 9 Absatz 5 der Aktenordnung entsprechend.

 

II. Aufbewahrung durch die Zahlstelle

 

§ 13

Hat die Geschäftsstelle keine ausreichend sicheren Aufbewahrungsmöglichkeiten, besteht aber bei der Behörde eine Zahlstelle, so obliegt die Aufbewahrung der Zahlstelle. Zur Aufbewahrungsbeamtin bzw. zum Aufbewahrungsbeamten ist in diesem Fall die Verwalterin bzw. der Verwalter der Zahlstelle zu bestellen. Diese bzw. dieser kann bei Amtsgerichten am Sitz eines Landgerichts zugleich auch zur Aufbewahrungsbeamtin bzw. zum Aufbewahrungsbeamten für die Geschäftsstelle des Landgerichts bestellt werden, sofern das Amtsgericht der Dienstaufsicht der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Landgerichts untersteht; die Entscheidung hierüber trifft die Präsidentin bzw. der Präsident des Landgerichts.

 

§ 14

(1)  Die der Zahlstelle übergebenen Gegenstände sind in gleicher Weise aufzubewahren wie der Zahlstellenbestand. Aufbewahrtes Geld ist vom Zahlstellenbestand getrennt zu halten. Die Prüfung der Aufbewahrungsliste obliegt der Aufsichtsbeamtin bzw. dem Aufsichtsbeamten der Zahlstelle. Bei Geschäftsprüfungen der Zahlstelle sind stets auch zugleich die aufbewahrten Gegenstände auf ihre Vollzähligkeit zu überprüfen.

 

(2)  Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Unterabschnitts I. entsprechend.

 

III. Aufbewahrung durch die Kasse

 

§ 15

Sind die Voraussetzungen zur Aufbewahrung durch die Geschäftsstelle oder Zahlstelle nicht gegeben, so erfolgt die Aufbewahrung durch die für die Behörde zuständige Kasse. Die Kasse behandelt die ihr zur Aufbewahrung zugeleiteten Gegenstände als Wertverwahrungen. Sollen Geldbeträge in den eingelieferten Stücken erhalten bleiben, so ist dies bei der Ablieferung besonders anzuordnen; die Stücke sind in diesem Fall der Kasse auf dem Kurierweg zuzuleiten. Die Quittung über die Ablieferung an die Kasse ist zu den Sachakten zu nehmen.

 

§ 16

Der Kasse gegenüber ist die Sachbearbeiterin bzw. der Sachbearbeiter zur Verfügung über die abgelieferten Gegenstände berechtigt; sie bzw. er erlässt die erforderlichen Kassenanordnungen.

 

D. Rückgabe
 

§ 17

(1)  Nach Erledigung einer Sache (§ 7 der Aktenordnung) ist von Amts wegen zu prüfen, ob von den Beteiligten zu den Akten gegebene Gegenstände, insbesondere Urkunden, zurückzugeben sind. Über die Rückgabe entscheidet die Sachbearbeiterin bzw. der Sachbearbeiter.

 

(2)  Urkunden, die zu einem durch Urteil erledigten bürgerlichen Rechtsstreit eingereicht sind, darf die Geschäftsstelle auch ohne Anordnung der Sachbearbeiterin bzw. des Sachbearbeiters zurückgeben, wenn die Rechtskraft des Urteils aktenkundig oder binnen sechs Monaten seit der Verkündung des Urteils kein Rechtsmittel eingelegt ist und keine Bedenken aus § 443 ZPO entgegenstehen; vgl. auch § 7 Absatz 10 der Aktenordnung.

 

§ 18

Die Rückgabe ist nur gegen Empfangsbescheinigung zulässig, sofern nicht der Nachweis auf andere Weise (z. B. durch Einschreibesendungen) gesichert ist.

 

§ 19

(1)  Ist die bzw. der Empfangsberechtigte oder ihr bzw. sein Aufenthalt nicht zu ermitteln, so findet, wenn die Herausgabepflicht nicht auf Vertrag beruht, § 983 BGB in Verbindung mit Ziffer 15.1 der Fundsachenanweisung Anwendung. Beruht die Herausgabepflicht auf Vertrag, so ist, wenn die Rückgabe aus den in § 372 BGB aufgeführten Gründen nicht möglich ist, nach §§ 372 ff. BGB zu verfahren.

 

(2)  Ist auf Einziehung, Verfallerklärung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung von Gegenständen erkannt, so gelten die §§ 63 bis 86 der Strafvollstreckungsordnung und die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen. 

 

E. Sonstige Bestimmungen
 

§ 20

(1)  Die Bestimmungen dieser Anordnung finden keine Anwendung auf das Hinterlegungswesen, die von einer Gerichtsvollzieherin bzw. einem Gerichtsvollzieher in Gewahrsam genommenen Sachen, Fundsachen, die Habe der Gefangenen, die zum Musterregister niedergelegten Muster und Modelle sowie die in die besondere amtliche Verwahrung genommenen Verfügungen von Todes wegen.

 

(2)  Im Übrigen bleiben die besonderen Vorschriften, in denen die Behandlung der im amtlichen Gewahrsam befindlichen Gegenstände für bestimmte Fälle geregelt ist, unberührt. Dies gilt insbesondere für

1.

amtlich verwahrte Gegenstände in Strafsachen (Nummern 74 bis 76 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren und § 9 der Aktenordnung),

2.

Führerscheine nach Entziehung der Fahrerlaubnis oder Verhängung eines Fahrverbots (§§ 56 und 59a der Strafvollstreckungsordnung) und

3.

Urkunden in Grundbuchsachen (§ 21 Absatz 3 der Aktenordnung und § 23 der Grundbuchgeschäftsanweisung).

 

§ 21

Diese AV tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

 

Gleichzeitig wird die AV d. JM vom 25. August 1981 (1454 - I B. 153) - JMBl. NRW S. 218 - in der zuletzt geänderten Fassung der AV d. JM vom 1. April 2000 (1454 - I D. 153) - JMBl. NRW S. 114 - aufgehoben.