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Anwendungshinweise
zur Übernahme der Kosten für notwendige Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit oder zur Vermeidung einer drohenden Dienstunfähigkeit (§ 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW)
RV d. JM vom 15. Juli 2019 (2000 - Z. 541)

Mit der Einführung der Regelung des § 35 Absatz 1 LBG NRW wird auch die aus Artikel 5 der Richtlinie der Europäischen Union 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) resultierende Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn umgesetzt, für Menschen mit Behinderung die Kosten für notwendige Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiederherstellung oder Erhaltung des Arbeitsplatzes zu tragen. Im Gegenzug sind die wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Beamtinnen und Beamten verpflichtet, an geeigneten und zumutbaren Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen der geltenden Gesunderhaltungspflicht teilzunehmen, vgl. LT.-Drs. 16/10380, S. 348. Diese Verpflichtung gilt auch für noch nicht in den Ruhestand versetzte Beamtinnen und Beamte, wenn durch die Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen eine drohende Dienstunfähigkeit vermieden werden kann.

 

Als Ausfluss der Fürsorgepflicht sind gemäß § 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW die Kosten für die erforderlichen gesundheitlichen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen vom Dienstherrn zu tragen, sofern keine anderen Ansprüche bestehen. Eine Kostenübernahme kommt nur in Betracht, wenn vor Beginn der Maßnahme amtsärztlich bestätigt wurde, dass die Maßnahme geeignet ist, eine drohende Dienstunfähigkeit zu vermeiden bzw. die Dienstfähigkeit wiederherzustellen.

 

Das Ministerium des Innern hat im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe die nachfolgenden Grundsätze erarbeitet, die für die Richterinnen und Richter in Anwendung von § 2 Absatz 2 LRiStaG entsprechend gelten und nach denen künftig zu verfahren ist:

 

 

1. Verfahrenseinleitung

1.1.

Wenngleich es vordringliche Aufgabe des Dienstherrn im Rahmen seiner Fürsorgepflicht ist, drohende Dienstunfähigkeit oder die Möglichkeiten der Herstellung der Dienstfähigkeit zu erkennen, ist die Beamtin oder der Beamte nicht gehindert, auch selbst einen Antrag auf Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 35 Absatz 1 LBG NRW zu stellen.

 

Der Antrag der Beamtin oder des Beamten zur Kostenübernahme durch den Dienstherrn ist an die zuständige Stelle zu richten.

 

Über die Anordnung der Maßnahme entscheidet die zuständige Stelle vor Beginn der Maßnahme. Sie vergibt insbesondere den Gutachtenauftrag an die untere Gesundheitsbehörde.

 

1.2.

Im Gutachtenauftrag ist ausdrücklich nach erforderlichen Rehabilitationsmaßnahmen i. S. d. § 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW i. V. m. § 35 Absatz 1 Sätze 1 und 2 LBG NRW zu fragen. Dies umfasst, soweit bekannt, auch von der Beamtin oder dem Beamten eigeninitiativ geplante Rehabilitationsmaßnahmen.

 

1.3.

Das amtsärztliche Gutachten stellt allein eine Entscheidungshilfe der zuständigen Stelle dar und ersetzt nicht die Entscheidung der Dienststelle über die Erforderlichkeit der Maßnahme oder das Vorliegen einer bestehenden oder drohenden Dienstunfähigkeit.

 

Daher ist die Dienststelle insbesondere nicht gehindert, Nachfragen anzustellen, wenn sich aus dem Gutachten Art, Umfang oder Erforderlichkeit der empfohlenen Maßnahme nicht sofort erschließen oder sich keine bestimmte, konkretisierte Rehabilitationsmaßnahme aus dem Gutachten ergibt.

 

2. Anordnung der Maßnahme

2.1

Eine Maßnahme zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit oder zur Abwendung einer drohenden Dienstunfähigkeit (Rehabilitationsmaßnahme) kann unter folgenden Voraussetzungen angeordnet werden:

 

  • Die Maßnahme dient unmittelbar der Beseitigung krankheitsbedingter Leistungsdefizite der Beamtin oder des Beamten und damit der Wiederherstellung ihrer oder seiner (vollständigen oder teilweisen) Dienstfähigkeit bzw. der Abwendung einer drohenden Dienstunfähigkeit. Die Erfolgsaussichten der Maßnahme sind durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen; dabei soll auch eine Abschätzung der zu erwartenden Dauer und Kosten gegeben werden. Vor der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme ist daher durch ein Gutachten der unteren Gesundheitsbehörde festzustellen, ob eine vermeintlich drohende Dienstunfähigkeit besteht und ob die angestrebte oder ggf. welche andere Rehabilitationsmaßnahme erforderlich i. S. d. § 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW ist.

 

Erforderlich ist eine Rehabilitationsmaßnahme, wenn sie zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit oder zur Vermeidung einer drohenden Dienstunfähigkeit geeignet i. S. d. § 35 Absatz 1 Sätze 1 und 2 LBG NRW ist. Dies ist eine Frage des Einzelfalls. Ggf. sind weitere fachärztliche Stellungnahmen einzuholen.

 

Es muss nach der amtsärztlichen Begutachtung Aussicht auf Wiederherstellung/Erhaltung der vollen oder zumindest der begrenzten Dienstfähigkeit bestehen (vgl. LT.-Drs. 16/10380, S. 348).

 

  • Die Maßnahme ist für die Beamtin oder den Beamten zumutbar.

 

  • Die für die Maßnahme anfallenden Kosten sind unter Anlegung eines strengen Wirtschaftlichkeitsmaßstabs angemessen.

 

2.2

Mit der Anordnung der Maßnahme soll auch die Zusage der Kostenübernahme verbunden werden.

 

3. Kostentragungspflicht

3.1.

Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet es, dass er die notwendigen und angemessenen Kosten, die der Beamtin oder dem Beamten durch die angeordnete Rehabilitationsmaßnahme entstehen, vollständig trägt. Die Beurteilung von Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten erfolgt nach den beihilferechtlichen Regelungen über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen. Zu den notwendigen Kosten gehören nicht die Beträge, die sich im Rahmen der Beihilfefestsetzung infolge der Berücksichtigung von Selbstbehalten bei der Inanspruchnahme von Wahlleistungen mindernd ausgewirkt haben. Von der Kostentragung durch den Dienstherrn ausgeschlossen sind auch mittelbare Folgekosten, die ihrer Art nach den Bereich der allgemeinen Lebensführung berühren.

 

3.2

Ist die einzelne Rehabilitationsmaßnahme dem Grunde nach beihilfefähig nach der Beihilfeverordnung Nordrhein-Westfalen (BVO NRW), scheidet eine Kostentragungspflicht des Dienstherrn gemäß § 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW für diesen Teil der Kosten aus und zwar auch insoweit, als der Anspruch nach der BVO NRW die Kosten nicht in voller Höhe abdeckt. Die Kosten für die Rehabilitationsmaßnahme sind in diesen Fällen über die Beihilfe abzurechnen.

 

Dem Grunde nach beihilfefähig ist eine Rehabilitationsmaßnahme auch dann, wenn die beantragte Maßnahme in der BVO NRW aufgeführt ist, aber die tatbestandlichen Voraussetzungen der BVO NRW im Einzelfall nicht vorliegen. Nur wenn die BVO NRW die beantragte Maßnahme schon nicht vorsieht, ist ein Kostenersatz gemäß § 35 Absatz 1 LBG NRW möglich.

 

3.3

Die nach Nr. 3.1 erstattungsfähigen Aufwendungen sind um die der Beamtin oder dem Beamten anderweitig zustehenden Leistungen (aus einer privaten Krankenversicherung, einer Krankenhaustagegeldversicherung und vergleichbaren privaten Zusatzversicherungen, Leistungen nach dem SGB IX etc.) zu mindern. Sofern anlässlich einer stationären Behandlung Wahlleistungen in Anspruch genommen wurden, ist die Fürsorgeleistung in sinngemäßer Anwendung der beihilferechtlichen Regelungen um die entsprechenden Eigenbehalte zu mindern.

 

3.4.

Die Kostentragungspflicht gemäß § 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW ist eine Auffangvorschrift für die Kosten solcher Rehabilitationsmaßnahmen, die nicht beihilfefähig sind (vgl. Ziffer 3.2) oder nicht von den privaten oder gesetzlichen Krankenversicherungen oder einem anderen privaten oder gesetzlichen Kostenträger getragen werden, aber aus Sicht des Dienstherrn zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit erforderlich sind. Der Dienstherr hat insoweit die Aufgabe eines Rehabilitationsträgers entsprechend dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch, vgl. LT.-Drs. 16/10380, S. 348. Daher kommt es für die Frage der Ersatzfähigkeit entscheidend darauf an, ob ein sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter die beanspruchte Rehabilitationsmaßnahme im Einzelfall beanspruchen könnte.

 

3.5.

Aufgrund des Subsidiaritätsgedankens des § 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW sind vorher die Möglichkeiten einer Übernahme der Kosten durch die private oder gesetzliche Krankenversicherung oder einen anderen bestehenden privaten oder gesetzlichen Kostenträger auszuschöpfen und die Ablehnung der Kostentragung durch die Versicherung oder die anderen bestehenden Kostenträger nachzuweisen.

 

3.6.

Die Kostentragungslast des Dienstherrn beträgt höchstens 100 Prozent der zuvor durch ein Gutachten der unteren Gesundheitsbehörde geschätzten Kosten der für erforderlich befundenen Rehabilitationsmaßnahme(n) zur Erhaltung oder Wiederherstellung einer Dienstunfähigkeit oder zur Vermeidung einer drohenden Dienstunfähigkeit.

 

3.7

Maßstab für die Prüfung, ob ein anderer Anspruch dem Grunde nach besteht, ist nicht die Gesamtmaßnahme, sondern nur die jeweilige Einzelleistung (vgl. auch Beschluss des VGH München vom 14.11.2014 -14 C 12.2695).

 

Im Rahmen einer Abrechnung oder eines Kostenvoranschlages für die gesamte Rehabilitation (d. h. alle Aufwendungen für diverse Einzelmaßnahmen zusammen) können dann Einzelmaßnahmen enthalten sein, die beihilfefähig sind, und andere Maßnahmen, für die eine Übernahme der Kosten nach § 35 Absatz 1 Satz 4 LBG NRW in Betracht kommt.

 

4. Weiteres Verfahren

4.1

Auf Antrag der Beamtin oder des Beamten setzt die zuständige Stelle die vom Dienstherrn zu erstattenden Kosten nach Abschluss der Maßnahme durch förmlichen Abrechnungsbescheid fest. Die Beamtin oder der Beamte hat hierfür einen entsprechenden Nachweis über die für die Maßnahme getroffene Beihilfefestsetzung vorzulegen.

 

4.2

Während der Durchführung der Maßnahme können auf Antrag der Beamtin oder des Beamten unter Vorlage der entsprechenden Rechnungen Abschlagszahlungen geleistet werden. Übersteigen die geleisteten Abschlagszahlungen den sich aus Nr. 3 ergebenden Erstattungsbetrag, so hat der Beamte den übersteigenden Betrag zurückzuerstatten.

 

4 3

Ausgaben für die erforderlichen Maßnahmen gemäß § 35 Absatz 1 LBG NRW sind aus dem Titel 443 01 „Fürsorgeleistungen“ zu erstatten.

 

5.

Diese RV tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.