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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

Eine Datenbank der Justiz Nordrhein-Westfalen
Die Justizverwaltungsvorschriften in einer Datenbanklösung mit komfortabler Volltextsuche.

Richtlinien für das Übergangsmanagement
im Justizvollzug
des Landes Nordrhein-Westfalen
RV des JM vom 12. April 2021 (4450 - IV. 89)

1. Grundlagen

 

1.1 Zielsetzung

Die Wiedereingliederung von Gefangenen, Untergebrachten, Arrestantinnen und Arrestanten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dem trägt die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen durch ein strukturiertes Übergangsmanagement Rechnung. Das Übergangsmanagement dient der Sicherung der vollzuglichen Wiedereingliederungsmaßnahmen über den Entlassungszeitpunkt hinaus, der Prävention vor (weiterer) Straffälligkeit und dem Schutz der Bevölkerung

 

1.2. Definition

Das Übergangsmanagement ist eine organisationsübergreifende Schaffung von Förderketten zur Wiedereingliederung von (ehemaligen) Gefangenen, Untergebrachten, Arrestantinnen und Arrestanten, die in enger Kooperation zwischen Justizbehörden, Einrichtungen der Straffälligenhilfe und kompetenten Dritten innerhalb und außerhalb der Justizvollzugseinrichtungen erfolgt.

 

1.3. Verständnis

Dem Übergangsmanagement liegt ein ganzheitliches Verständnis zugrunde, welches den Vollzug als Teil des (über-)regionalen gesellschaftlichen Hilfesystems / Netzwerks versteht und inhaftierten Menschen die Zugangschancen zu diesem System ermöglichen will. Dieses Verständnis beinhaltet die Entwicklung struktureller, rechtlicher, psychosozialer und organisatorischer Lösungen und die verlässliche Kooperation mit den der Wiedereingliederung dienenden Akteuren. Das Übergangsmanagement setzt dabei an den Schnittstellen der Aufnahme in den Justizvollzug und der Entlassung aus dem Justizvollzug an. Vor dem Hintergrund einer durchgängigen Hilfeplanung werden Erkenntnisse vorbetreuender Institutionen und Personen in die Erziehungs- und Vollzugsplanung einbezogen. Die Ergebnisse der vollzuglichen Integrationsbemühungen und der weitere Unterstützungsbedarf werden rechtzeitig vor der Entlassung der Gefangenen und Untergebrachten sowie der Arrestantinnen und Arrestanten an nachbetreuende Stellen und Personen übermittelt. Der Schwerpunkt des Übergangsmanagements im Jugendarrest liegt aufgrund der kurzen Verweildauer insbesondere darin, die Arrestantinnen und Arrestanten an Personen und Institutionen am Entlassungsort mittels persönlicher Kontaktaufnahme, Vorstellung und erforderlichenfalls nachsorgender Begleitung anzubinden.

Das Übergangsmanagement basiert auf dem Handlungskonzept Case Management.

 

1.4. Rechtsgrundlagen

Das Übergangsmanagement erfolgt auf den rechtlichen Grundlagen der einschlägigen Vollzugsgesetze, insbesondere §§ 5, 58 StVollzG NRW, §§ 6, 45 JStVollzG NRW, §§ 5, 58 SVVollzG NRW, §§ 1, 3 JAVollzG NRW sowie den Richtlinien für die Fachdienste bei den Justizvollzugseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen (AV d. JM vom 18. Dezember 2015 – 2400 – IV. 54) in der jeweils gültigen Fassung sowie den datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

 

2. Fachstellen Übergangsmanagement

 

2.1. Fachleitungen und Verantwortliche für das Übergangsmanagement

Das Übergangsmanagement erfolgt auf den rechtlichen Grundlagen der einschlägigen Vollzugsgesetze, insbesondere §§ 5, 58 StVollzG NRW, §§ 6, 45 JStVollzG NRW, §§ 5, 58 SVVollzG NRW, §§ 1, 3 JAVollzG NRW sowie den Richtlinien für die Fachdienste bei den Justizvollzugseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen (AV d. JM vom 18. Dezember 2015 – 2400 – IV. 54) in der jeweils gültigen Fassung sowie den datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

 

In den Justizvollzugsanstalten werden Fachleitungen für das Übergangsmanagement bestellt, in den Jugendarrestanstalten werden Verantwortliche für das Übergangsmanagement benannt.

 

2.2. Aufgaben der Fachleitungen und Verantwortlichen für das Übergangsmanagement

In Konkretisierung der Nr. 2.6.4.2.1.4 der Richtlinien für die Fachdienste bei den Justizvollzugseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen sind die Aufgaben - soweit sie nicht von anderen Fachbereichen übernommen werden - im Bereich des Übergangsmanagements:

- Kooperation mit den Dienststellen des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz und den Führungsaufsichtsstellen;

- Kooperation mit anderen öffentlich-rechtlichen Stellen, hier insbesondere mit den regionalen kommunalen Behörden wie z.B. Melde-, Ausländer- Wohnungs-, Jugend-, Sozial-, Gesundheitsämtern (gemeindepsychiatrische Dienste), Jobcentern sowie überregionalen Behörden wie Arbeitsagenturen, Landeskliniken oder den Landschaftsverbänden;

- Kooperation mit den freien Trägern zur materiellen, sozialen und beruflichen Integration von Gefangenen, Untergebrachten und Arrestantinnen / Arrestanten sowie federführende Mitwirkung bei der Entwicklung von Kooperationsvereinbarungen insbesondere mit den Trägern der Straffälligenhilfe, Jugendhilfe, Wohnungslosenhilfe, Suchtberatung und der AIDS-Hilfe, der Schuldnerberatung und der Erziehungs- und Sexualberatung;

- Durchführung jährlicher Netzwerktreffen mit den Netzwerkpartnern;

- Erfassung neuer Netzwerkpartner in der Fachanwendung Sopart®;

- Mitwirkung an regionalen und überregionalen Arbeitsgruppen und Dienstbesprechungen;

- Kooperation mit anderen Justizvollzugseinrichtungen und dem Fachbereich Sozialdienst im Justizvollzug des Landes NRW;

- Auf- und Ausbau sowie Pflege eines anstaltsbezogenen Netzwerks;

- Entwicklung und Fortschreibung einer anstaltsspezifischen Konzeption zum Übergangsmanagement;

- Schaffung der anstaltsbezogenen Strukturen zur Sicherung

des Übergangs durch nachbetreuende Institutionen, Einrichtungen und Personen,

des Lebensunterhalts und der Krankenversicherung,

der Beschaffung der notwendigen Entlassungspapiere,

der Wohnraumversorgung und

weiterer Beratungs- und Betreuungsbedarfe;

- Koordinierung des Übergangsmanagements in Abstimmung mit der Leitung des Sozialdienstes;

- Kooperation mit den weiteren im Übergangsmanagement tätigen Fachleitungen und Bediensteten (z.B.: in den Bereichen Sucht, Schulden, Integration, Gemeinschaftsinitiative B5, Haftverkürzung, Sicherungsverwahrung);

- Beratung und Unterstützung der Behördenleitung in Fragen des Übergangsmanagements;

- Information der Bediensteten über fachliche und rechtliche Entwicklungen / Neuerungen sowie Beratung in Einzelfällen;

- Koordination von Fallkonferenzen zum Übergangsmanagement;

- Organisation von Informationsveranstaltungen für Gefangene, Arrestantinnen und Arrestanten.

- Transfer landesweiter Konzepte und Vereinbarungen in den regionalen und institutionellen Kontext;

- Fertigung von Berichtsentwürfen und Bearbeitung von Anfragen zum fallübergreifenden Übergangsmanagement;

- Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und Qualifikationsmaßnahmen.

- Mitwirkung bei der Evaluierung zum Übergangsmanagement

 

2.3. Besonderheiten des Übergangsmanagements im Jugendarrest

- Motivierung der Arrestantinnen und Arrestanten zur Mitwirkung am Übergangsmanagement;

- Feststellung des individuellen Bedarfs von Arrestantinnen und Arrestanten an Maßnahmen des Übergangsmanagements;

- Priorisierung von Maßnahmen des Übergangsmanagements unter Mitwirkung der Arrestantinnen und Arrestanten;

- Umsetzung des Übergangsmanagements durch

Bildung von fallbezogenen Netzwerken und Durchführung von fallbezogenen Kooperationsabsprachen,

Begleitung der Arrestantinnen und Arrestanten an den Entlassungsort und Fallübergabe an nachsorgende Institutionen und Personen,

nachsorgende Unterstützung der Arrestantinnen und Arrestanten in der Regel bis zu einem Monat nach der Entlassung aus dem Jugendarrest zur Sicherung zuvor geleisteter Hilfen;

 

2.4. Zusammenarbeit

2.4.1. Interne Zusammenarbeit

Die Fachleitungen und die Verantwortlichen für das Übergangsmanagement arbeiten mit den unterschiedlichen Berufsgruppen der Justizvollzugseinrichtung vertrauensvoll zusammen. Sie werden in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch die Bediensteten der Justizvollzugseinrichtung unterstützt.

Ihrerseits unterstützen die Fachleitungen und die Verantwortlichen für das Übergangsmanagement die zuständigen Bediensteten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Übergangsmanagement Sucht, Schulden, Integration, Sicherungsverwahrung und in der Gemeinschaftsinitiative B5.

Ihnen werden die zur Aufgabenwahrnehmung und Zielerreichung erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt.

 

2.4.2. Externe Zusammenarbeit

Gleichermaßen arbeiten die Fachleitungen und die Verantwortlichen für das Übergangsmanagement im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten vertrauensvoll mit den öffentlich-rechtlichen und freien Trägern, Körperschaften des öffentlichen Rechts und privatrechtlich organisierten, die Integration Haftentlassener fördernden Anbietern zusammen. Förderketten, Verfahrensweisen und Prozesse sollen gemeinsam entwickelt werden.

 

Bei minderjährigen Gefangenen oder Arrestantinnen und Arrestanten werden die Erziehungsberechtigten bzw. die gesetzlichen Vertreter soweit als möglich in das fallbezogene Übergangsmanagement einbezogen (§ 6 Absatz 3 JStVollzG NRW; § 1 Absatz 2 JAVollzG NRW) sofern nicht Gründe, die sich aus § 67a JGG ergeben, dem entgegenstehen.

 

2.5. Organisation

Die Fachleitungen und die Verantwortlichen für das Übergangsmanagement sind als Teil des Sozialdienstes der Leitung des Sozialdienstes unterstellt. Sie werden entsprechend Nr. 2.6.5.2 der Richtlinien für die Fachdienste bei den Justizvollzugseinrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen auf Vorschlag der Leitung des Sozialdienstes durch die Anstaltsleitung benannt.

Die Kontaktdaten der Fachleitungen und der Verantwortlichen für das Übergangsmanagement werden auf der Homepage der jeweiligen Justizvollzugseinrichtung veröffentlicht.

 

Die Fachleitungen und die Verantwortlichen sind an den zur Aufgabenerfüllung förderlichen Gremien, Dienstbesprechungen und Konferenzen zu beteiligen.

 

Die Fachleitungen und die Verantwortlichen sind im Rahmen der zur Verfügung gestellten Stellen(-anteile) im Bereich des Übergangsmanagements tätig. Werden die Aufgaben des Übergangsmanagements mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einem festgelegten Anteil ihrer Arbeitszeit übertragen, so sind diese jeweils zu diesem Anteil der wöchentlichen Arbeitszeit im Übergangsmanagement einzusetzen.

 

In den Jugendarrestanstalten werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes mit der Aufgabe des fallbezogenen Übergangsmanagement betraut.

 

3. Landesweite Koordination

 

3.1. Landesweite Koordinationsstelle Übergangsmanagement

Dem Fachbereich Sozialdienst im Justizvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen obliegt die landesweite Koordination des Übergangsmanagements im Justizvollzug und Jugendarrestvollzug. Hierzu werden Koordinierungsstellen für den Justizvollzug und den Jugendarrestvollzug eingerichtet. Die Koordinierungsstellen unterstützen und beraten die Fachleitungen und die Verantwortlichen und wirken, soweit fachlich angezeigt, auf eine Vereinheitlichung und anstaltsübergreifende Steuerung hin. Hierzu führen sie regelmäßig Dienstbesprechungen durch, sie können regionale oder themenspezifische Arbeitsgruppen einberufen.

Der Koordinationsstelle Übergangsmanagement obliegt nicht die Koordination des Übergangsmanagements in der Gemeinschaftsinitiative B5.

 

3.2. Aufgaben der Koordinationsstellen Justizvollzug und Jugendarrest

Die Koordinationsstellen Übergangsmanagement beraten das Ministerium der Justiz und die Justizvollzugseinrichtungen in Fragen des Übergangsmanagements und informieren über aktuelle fachliche und rechtliche Entwicklungen.

 

Sie haben darüber hinaus folgende Aufgaben:

- Vernetzung mit den Oberlandesgerichten, soweit die Belange des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz und der Führungsaufsichtsstellen betroffen sind, sowie mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege;

- Mitwirkung beim Aufbau eines landesweiten Netzwerks zur materiellen, sozialen und beruflichen Integration von Gefangenen, Untergebrachten, Arrestantinnen und Arrestanten sowie Transfer landesweiter Konzepte und Vereinbarungen auf die Anstaltsebene;

- Beratung und Unterstützung bei der konzeptionellen Weiterentwicklung des Übergangsmanagements und bei der Erstellung und Weiterentwicklung anstaltsbezogener Konzepte;

- Mitwirkung bei der konzeptionellen Weiterentwicklung des Übergangsmanagements unter anderem durch Teilnahme  in - landesweiten - Arbeitsgruppen;

- Initiierung neuer Kooperationsformen;

- Durchführung von Dienstbesprechungen der Fachleitungen und Verantwortlichen für das Übergangsmanagement;

- Einberufung und Begleitung von Arbeitsgruppen zum Übergangsmanagement;

- Bereitstellung und Pflege einer IT-gestützten Informationsplattform in Kooperation mit der Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen.

- Fertigung von Berichtsentwürfen; Erstellung fachlicher Voten und Beiträge gemäß § 103 Absatz 2 StVollzG NRW und § 69 Absatz 2 JStVollzG NRW;

- Feststellung des Fortbildungsbedarfs für die Aufgaben im Übergangsmanagement sowie Mitwirkung bei der Bedarfsanmeldung gegenüber der Justizakademie Nordrhein-Westfalen.

 

Der Koordinationsstelle für das Übergangsmanagement im Jugendarrest obliegen zusätzlich folgende Aufgaben:

- Unterstützung der Freizeitarresteinrichtungen in Fragen des Übergangsmanagements;

- Kooperation mit dem Kriminologischen Dienst des Landes NRW zur Evaluation des Übergangsmanagements im Jugendarrest.

 

4. Fortbildung

Die Fachleitungen und Verantwortlichen in den Justizvollzugseinrichtungen und die Mitarbeiterinnen / die Mitarbeiter der Koordinationsstellen sollen im Bereich des Case Managements qualifiziert werden. Sie erhalten die Möglichkeit, an weiteren aufgabenspezifischen Fortbildungen teilzunehmen.

Die Fachleitungen und die Verantwortlichen für das Übergangsmanagement sollen Gelegenheit zur Supervision erhalten.

 

5. Schlussbestimmung

Diese RV tritt am 01.05.2021 in Kraft.