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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

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Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst
AV d. JM vom 22. November 2023 (2370 - Z. 18)

 

1

Justizwachtmeisterdienst

Zur Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse im Rahmen der ihnen nach dem Gesetz über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen) sowie nach dieser Dienstordnung übertragenen Aufgaben werden bei Justizbehörden Beamtinnen und Beamte des Justizwachtmeisterdienstes eingesetzt.

 

2

Aufgaben

 

2.1

Den Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes obliegen die gesetzlichen Aufgaben gemäß §§ 30a Absatz 1, 31a Absatz 4, 31b Satz 2 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen. Diese umfassen

 

a)

die Aufrechterhaltung der Sicherheit, Ruhe und Ordnung in den Justizgebäuden und den dazugehörigen Außenbereichen;

b)

die Vorführung von Personen (insbesondere von Zeugen, Beschuldigten, Angeklagten oder Betroffenen und der nach den Justizvollzugs- und Maßregelvollzugsgesetzen gefangenen oder untergebrachten Personen sowie aus anderen Gründen festgehaltener Personen) zu gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Sitzungen oder Terminen einschließlich ihrer Bewachung; diese Aufgabe umfasst im Einzelfall auch die Begleitung des Transports;

c)

den Vollzug gerichtlicher oder staatsanwaltschaftlicher Anordnungen, die insbesondere auf der Grundlage der §§ 176 bis 180 Gerichtsverfassungsgesetz (Sitzungspolizei) oder aufgrund prozessrechtlicher Vorschriften erlassen werden, sowie

d)

den Vollzug von Weisungen der Behördenleitungen, die insbesondere auf der Grundlage des § 31a Justizgesetz Nordrhein-Westfalen (u. a. Hausrecht) erlassen werden.

 

2.2

Die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes sind darüber hinaus verpflichtet, auf Weisung sonstige Aufgaben hoheitsrechtlicher Art – auch anderer Dienstzweige (z. B. Wahrnehmung der Aufgaben des allgemeinen Vollzugsdienstes beim Vollzug von Jugendarrest) und bei anderen Justizbehörden – zu übernehmen.

 

2.3

Die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes können unter Berücksichtigung von Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie eventueller Unfallverhütungsvorschriften zur Erledigung sonstiger dienstlicher Aufgaben herangezogen werden. Hierzu gehören insbesondere

 

a)

die Abwicklung des Postverkehrs und Aktentransports im Justizgebäude,

b)

die mit dem elektronischen Rechtsverkehr verbundenen organisatorischen Arbeitsabläufe, insbesondere die Erledigung von Aufgaben an den IT-Arbeitsplätzen im elektronischen Posteingang und Postausgang und der Scanstelle,

c)

die Aufgabe der Übertragung eines von den verantwortenden Personen handschriftlich unterzeichneten strafverfolgungsbehördlichen oder gerichtlichen Schriftstücks in ein ersetzendes elektronisches Dokument einschließlich der qualifizierten elektronischen Signatur, soweit sie ihnen von der Behördenleitung gemäß § 3 Absatz 3 der Geschäftsstellenordnung für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen (GStO) gesondert übertragen wurde,

d)

die Erledigung der Hausdienstgeschäfte sowie

e)

der lokale IT-Service.

 

2.4

Durch die Übertragung von Aufgaben nach Nummern 2.2 und 2.3 darf die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben nach Nummer 2.1 nicht beeinträchtigt werden.

 

2.5

Die Erfüllung der Aufgaben nach Nummern 2.1 bis 2.3 und die Ausübung der hieran anknüpfenden hoheitlichen Befugnisse (Nummer 3) ist in der Regel auf das Justizgebäude und den dazugehörigen Außenbereich beschränkt. Zu den dazugehörigen Außenbereichen gehören insbesondere die Bereiche, auf die sich das Hausrecht der Behördenleitung erstreckt (z. B. Innen- und Vorhöfe, Parkplätze). Soweit der inhaltliche Bezug zur Erfüllung der Aufgabe dies erfordert, können die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes auch außerhalb dieses Bereichs hoheitlich tätig werden (z. B. zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Warteschlange vor dem Justizgebäude, während der Begleitung des Transports oder der Begleitung zu einer akuten ärztlichen Versorgung, bei gerichtlichen Ortsterminen und bei Festnahmen im Rahmen der Nacheile bei Fluchtversuchen).

 

3

Befugnisse

 

3.1

Zur Wahrnehmung der unter Nummer 2.1 beschriebenen Aufgaben können die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes nach § 31c Absatz 1 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen die notwendigen Maßnahmen treffen (Generalklausel).

Neben dieser allgemeinen Befugnis stehen den Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes die besonders geregelten Befugnisse in § 31c Absatz 2 und 3 und in § 31d Justizgesetz Nordrhein-Westfalen zu.

Nach der Maßgabe von § 31e Justizgesetz Nordrhein-Westfalen besitzen die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes zudem ergänzend die dort abschließend genannten Befugnisse nach dem Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

3.2

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, Ruhe und Ordnung in den Justizgebäuden und den dazugehörigen Außenbereichen stehen den Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes die Befugnisse nach § 31c Absatz 2 in Verbindung mit § 31a Absatz 2 Nummer 1 bis 7 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen zu.

Hierzu gehören insbesondere

 

a)

die Überwachung des Justizgebäudes einschließlich der Vorführbereiche und den dazugehörigen Außenbereich mittels optisch elektronischer Einrichtungen,

b)

die Feststellung der Identität einer Person im Rahmen allgemeiner Kontrollen,

c)

die Durchsuchung und das Absuchen einer Person auch unter Einsatz technischer Hilfsmittel im Rahmen allgemeiner Kontrollen,

d)

die Sicherstellung von Waffen, gefährlicher Gegenstände und sonstiger Gegenstände, die geeignet sind, die Sicherheit, Ruhe und Ordnung zu stören,

e)

Personen im Justizgebäude zu begleiten und zur Abwehr einer Gefahr auch von dem Justizgebäude zu verweisen oder das Betreten zu verbieten.

 

3.3

Die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes sind nach § 31c Absatz 3 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen befugt, Personen zum Zweck der Vorführung in Gewahrsam zu nehmen. Dies setzt voraus, dass gegenüber der Person die Vorführung richterlich oder staatsanwaltschaftlich angeordnet worden ist oder dass eine aufgrund Gesetzes gefangene, untergebrachte, vorläufig festgenommene oder anderweitig festgehaltene Person zu einem gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Termin vorgeführt wird. Eine Gewahrsamnahme zu anderen Zwecken ist über den Verweis in § 31e Justizgesetz Nordrhein-Westfalen auf die §§ 35 ff. Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen nur unter den dort bestimmten engeren Voraussetzungen zulässig.

 

3.4

Bei Personen, die infolge einer Gewahrsamnahme, im Rahmen einer Vorführung oder anderweitig einer Freiheitsentziehung unterworfen sind, sind folgende Maßnahmen nach § 31d Justizgesetz Nordrhein-Westfalen zulässig:

 

a)

die Fesselung, wenn die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, die Gefahr der Selbstverletzung oder Selbsttötung besteht oder die Beaufsichtigung nicht ausreicht, eine Entweichung zu verhindern;

b)

die Festnahme entwichener Personen;

c)

die vorübergehende oder dauerhafte Überwachung der Personen in Vorführhafträumen, auch durch Überwachungskameras, wenn die Gefahr der Entweichung, der Gewalttätigkeit gegen Personen oder Sachen bzw. der Selbstverletzung oder Selbsttötung besteht.

Die Befugnis zur Fesselung schließt es unter den genannten Voraussetzungen ein, Personen insbesondere auch Hand- und/oder Fußfesseln anzulegen und vorübergehend (etwa für die Dauer der Hauptverhandlung) anzubinden. Eine Befugnis zur Fixierung, d.h. zur vollständigen, mehr als nur kurzfristigen Einschränkung der Bewegungsfreiheit gefangener oder untergebrachter Personen besteht nach dem Justizgesetz Nordrhein-Westfalen nicht.

 

3.5

Die erforderlichen Maßnahmen sind so schonend wie möglich durchzuführen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei allen Eingriffen zu beachten.

 

3.6

Die vorstehend genannten Befugnisse ermächtigen die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes zum Erlass eigener Anordnungen im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben. Weisungen der Behördenleitung, der von dieser beauftragten Beschäftigten und der Geschäftsleitung sowie sitzungspolizeiliche Anordnungen sind vorrangig zu beachten.

 

3.7

Die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes sind nach § 31g Justizgesetz Nordrhein-Westfalen auch zur zwangsweisen Durchsetzung der auf der Grundlage der vorstehend genannten Befugnisse getroffenen Anordnungen befugt. Hierzu sind die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW anzuwenden. Als Zwangsmittel sind nur die Ersatzvornahme (§ 59 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW) und der unmittelbare Zwang (§ 62 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW) zulässig.

 

4

Organisation

 

4.1

Sind bei einer Behörde mehr als zwei Beamtinnen oder Beamte des Justizwachtmeisterdienstes tätig, so überträgt die Behördenleitung einer Beamtin oder einem Beamten die Leitung der Wachtmeisterei und bestimmt eine Beamtin oder einen Beamten zur Vertretung. Anstelle einer stellvertretenden Leitung kann bei größeren Behörden eine Beamtin oder ein Beamter als weitere Leitung der Wachtmeisterei bestimmt werden. Neben der Vertretung sind dieser abgegrenzte Aufgabenbereiche zur selbstständigen Erledigung zu übertragen. Vereinbaren die Leitungen mehrerer Behörden die Zusammenführung von Aufgaben und die Einrichtung einer gemeinschaftlichen Organisationsstruktur, können einer Beamtin oder einem Beamten die gemeinsame Leitung und bis zu drei Beamtinnen und Beamten die stellvertretende Leitung übertragen werden; im Falle der Bestellung einer weiteren Leitung kann bis zu zwei Beamtinnen und Beamten die stellvertretende Leitung übertragen werden. Die Aufgabenverteilung innerhalb der zentralen Leitungseinheit wird durch Geschäftsverteilung geregelt.

 

4.2

Der Leitung der Wachtmeisterei bzw. der Vertretung obliegt

 

a)

die Verteilung aller Geschäfte des Justizwachtmeisterdienstes nach dieser Dienstordnung, soweit die Verteilung nicht allgemein geregelt ist,

b)

die Anleitung und Organisation der Einarbeitung bzw. Einweisung neu eintretender Kräfte,

c)

die Entgegennahme der bei Zustellungen von Amts wegen durch die Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes abzusendenden oder auszuhändigenden Schriftstücke sowie

d)

die Prüfung und Rücklieferung der über die Erledigung aufgenommenen Urkunden und Berichte. Diese Aufgabe kann auch anderen hierzu befähigten Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes übertragen werden.

 

4.3

Den Anordnungen der Leitung der Wachtmeisterei bzw. der Vertretung haben die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes bis zu einer anderweitigen Bestimmung der Behördenleitung oder der Geschäftsleitung Folge zu leisten.

 

4.4

Bei jedem Gericht und bei jeder Staatsanwaltschaft sind mindestens einmal jährlich alle Beamtinnen und Beamten des Justizwachtmeisterdienstes durch die Geschäftsleitung zu einer Dienstbesprechung einzuberufen. In dieser Dienstbesprechung sind die für den Justizwachtmeisterdienst bestehenden Vorschriften zu erörtern, insbesondere soweit sich bei ihrer Anwendung Mängel gezeigt oder Schwierigkeiten ergeben haben. Daneben sind allgemeine Fragen der Praxis und die für den Justizwachtmeisterdienst bedeutsamen neu ergangenen oder geänderten Bestimmungen zu behandeln sowie das bisherige Wissen zu vertiefen. Aus besonderem Anlass können weitere Dienstbesprechungen durchgeführt werden.

 

5

Justizhelferinnen und Justizhelfer

 

5.1

Justizhelferinnen und Justizhelfer, die zum Zwecke der späteren Übernahme in das Beamtenverhältnis (§ 5 Abs. 2 der Ausbildungsordnung für den Justizwachtmeisterdienst vom 16. November 2017) beschäftigt werden, können mit Aufgaben nach dieser Dienstordnung betraut werden. Die Vorschriften dieser Dienstordnung sind insoweit entsprechend anzuwenden.

 

5.2

Ausnahmsweise können bei Justizbehörden, denen Planstellen des Justizwachtmeisterdienstes nicht oder nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen, nichtbeamtete Kräfte (Justizhelferinnen und Justizhelfer, Justizbeschäftigte, Regierungsbeschäftigte) ebenfalls mit Aufgaben nach dieser Dienstordnung betraut werden. Vor ihrem Einsatz sind sie in die von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben einzuweisen. Die Vorschriften dieser Dienstordnung sind insoweit entsprechend anzuwenden.

 

6

In- und Außerkrafttreten; Evaluierung

 

6.1

Diese Dienstordnung tritt am 1. Januar 2024 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Dienstordnung vom 9. März 2015 außer Kraft.

 

6.2

Diese AV wird nach Ablauf von zwei Jahren seit ihrem Inkrafttreten von dem für Justiz zuständigen Ministerium überprüft.