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Zusammenarbeit mit den Medien in Ermittlungsverfahren
RV d. JM vom 15. August 1994 (1274 - III A. 2)

I.

Aus dem Runderlass des Innenministeriums vom 10. März 1994 (IV A. 4 - 160) über die Zusammenarbeit der Polizei mit den Medien gebe ich in folgendem den im Einvernehmen mit mir ergangenen Abschnitt 3.3 bekannt:

"3.3 Strafverfolgung
Medienauskünfte über strafrechtliche Ermittlungsverfahren erteilt grundsätzlich die Staatsanwaltschaft.

Im Bereich der schweren Kriminalität ist der Staatsanwaltschaft die Entscheidung darüber zu überlassen, ob, durch wen und in welcher Form die Medien unterrichtet werden.

Bei Kapitalverbrechen wie z.B. Tötungsdelikten (§§ 211, 212 StGB), besonders schwerem Raub (§ 251 StGB) sowie bei schweren Unglücksfällen (z.B. Explosionen, Flugunfälle, Eisenbahnunglücke) obliegt die Unterrichtung der Medien  grundsätzlich der Staatsanwaltschaft. Die ermittlungsführende Polizeibehörde kann die Medien dann unterrichten, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Einverständnis dazu im Einzelfall erteilt hat. Soweit in Fällen schwerer Kriminalität die Staatsanwaltschaft noch keine Kenntnis hat, kann die Polizei die Medien im Rahmen des kriminaltaktisch Vertretbaren über die festgestellten Tatsachen unterrichten. Auskünfte über Wertungen oder Schlussfolgerungen, insbesondere die Schuldfrage, sind zu unterlassen.

In Ermittlungsverfahren, die wegen der Art oder des Umfanges der Beschuldigung (z.B. umfangreiche Korruptionsfälle), wegen der Persönlichkeit oder der Stellung eines Beteiligten (z.B. Straftaten von Personen, die im politischen Leben stehen, oder von leitenden Amtsträgern im öffentlichen Dienst) oder aus anderen Gründen voraussichtlich Gegenstand von Berichten in den überörtlichen Medien sein werden, sind Presseauskünfte nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abzugeben.

Die Polizei kann Medienauskünfte über Fahndungshinweise erteilen, wenn eine unverzügliche Unterrichtung zur Fahndung nach Tätern oder Beweismitteln notwendig ist und die vorherige Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft zu einer Verzögerung führen würde, die den Fahndungserfolg gefährden könnte. Mitteilungen an die Medien zu Fahndungszwecken sind so abzufassen, dass die Öffentlichkeit zur Mitarbeit angeregt wird.  Jeder Anreiz zur Nachahmung ist möglichst zu vermeiden.

Fahndungshinweise, die die Untersuchungen gefährden können, sind zu unterlassen. PDV 384.1 und die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) sind zu beachten.

Ohne vorherige Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft kann die Polizei die Medien unterrichten über
- Verkehrsstrafsachen und
- Strafsachen der leichten und mittleren Kriminalität."

II.

Die Unterrichtung der Medien über strafrechtliche Ermittlungsverfahren obliegt im Bereich der schweren Kriminalität, in Kapitalsachen und in Strafsachen von besonderer Bedeutung den Justizbehörden. Dies gilt auch für Ermittlungen der Polizei im Rahmen des ersten Zugriffs (§ 163 Abs. l StPO).

Die Unterrichtung der Medien über schwebende Ermittlungsverfahren findet ihre Grenze, wo sie die sachgemäße Durchführung der Ermittlungen vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet oder überwiegende öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen verletzen könnte. Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens werden regelmäßig nur dann mitgeteilt,  wenn sie  zu Fahndungszwecken oder zur Aufklärung der Öffentlichkeit notwendig sind. Für die Zusammenarbeit mit den Medien und für den Inhalt der Medienauskünfte geben die AV von 25. Juni 1981 (1271 - II C. l) - JM Bl. NW S. 169 - in der Fassung vom 22. April 1985 - JM Bl. NW S. 109 - und Abschnitt 3.4 des RdErl. d. IM vom 10. März 1994 wichtige Hinweise.

Abschnitt 3.4 lautet:

"Inhalt der Medienauskünfte
Mitteilungen haben sich auf die Wiedergabe des Sachverhalts zu beschränken; dies gilt insbesondere für Ermittlungsvorgänge.

Mitteilungen sind so abzufassen, dass sie die Identität betroffener Personen nicht preisgeben. Insbesondere hat die Bekanntgabe von Namen, Namenskürzeln und Anschriften zu unterbleiben. Das gilt auch für die Bekanntgabe der Daten von Getöteten, da der Persönlichkeitsschutz im Falle des Todes des Betroffenen in bestimmtem Rahmen von den Angehörigen wahrgenommen werden kann. Angaben über Körperschäden nach Unfällen oder Straftaten haben sich auf den Grad der Schwere zu beschränken. Bei der Inanspruchnahme der Medien zum Zwecke der Öffentlichkeitsfahndung oder Gefahrenabwehr darf hiervon abgewichen werden, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Über sogenannte Personen der Zeitgeschichte sind ebenfalls entsprechende Angaben im erforderlichen Umfang zulässig.

Wertende Feststellungen zu Personen dürfen nicht getroffen werden. Äußerungen zur Vorwerfbarkeit eines Verhaltens oder über die Verantwortung von Personen haben grundsätzlich zu unterbleiben. Hinweise auf eine Beteiligung von Ausländern bzw. Minderheiten sind zu unterlassen, sofern nicht im Einzelfall ein überwiegendes Informationsinteresse erkennbar ist oder ein Fahndungsinteresse besteht.

Die Inhalte von Medienauskünften sind so zu gestalten, dass sie keine Tatanreize schaffen. Bei Raubdelikten auf Banken und Sparkassen und insbesondere bei Überfällen auf Geschäfte,  Zahlstellen,  Spielhallen,  Geldboten, Tankstellen usw. sind grundsätzlich keine Schadenssummen mitzuteilen, es sei denn, die oder der Geschädigte hat dem zugestimmt und/oder es besteht ein überwiegendes Informationsinteresse.

Über besondere Ermittlungsmethoden und -hilfen ist grundsätzlich nicht zu berichten.

Über Vorfälle aus dem Straßenverkehr ist nach Möglichkeit so zu berichten, dass die Mitteilungen an die Medien zugleich verkehrssicherheitsfördernd und -aufklärend wirken.
Auch Straftaten sollen in der öffentlichen Darstellung genutzt werden, um Ratschläge des Kriminalpolizeilichen Vorbeugungsprogramms des Bundes und der Länder (KPVP) oder andere Empfehlungen zur Verhütung von Kriminalität zu geben.

Über beabsichtigte Personalmaßnahmen sind aus Gründen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine Auskünfte zu erteilen. Vollzogene Personalmaßnahmen können den Medien im für die Zusammenarbeit erforderlichen Umfang bekannt gegeben werden. Soweit dabei die Bekanntgabe des Namens wegen des materiellen Inhalts des wahrgenommenen Amtes nicht zwingend ist, ist von der Weitergabe des Namens abzusehen, es sei denn, die Person hat der Weitergabe vorher zugestimmt. Gleiches gilt für beabsichtigte oder getroffene Entscheidungen in Disziplinarverfahren. § 29 DSG ist zu beachten."

III.

Mit den zuständigen Polizeibehörden müssen die Staatsanwaltschaften vertrauensvoll und eng zusammenarbeiten.

Im einzelnen ordne ich an:

1.
Im Bereich der schweren Kriminalität (vgl. Abschnitt 3.3 Abs. 2 des RdErl. d. IM vom 10. März 1994) kann die Leitung der Staatsanwaltschaft die örtlichen Polizeibehörden ermächtigen, die Medien über den Sachverhalt zu unterrichten.

2.
In Kapitalsachen (vgl. Abschnitt 3.3 Abs. 3 des RdErl. d. IM vom 10. März 1994) obliegt die Unterrichtung der Medien den Justizbehörden. Die Leitung der Staatsanwaltschaft kann die Sachbearbeiterin/den Sachbearbeiter für Kapitalsachen ermächtigen, den Medien Auskünfte zu erteilen. In Ausnahmefällen kann auch den Polizeibehörden die Befugnis gegeben werden, die Medien zu unterrichten.

3.
In Strafsachen von besonderer Bedeutung (vgl. Abschnitt 3.3 Abs. 4 des RdErl. d. IM vom 10. März 1994) ist die Leitung der Staatsanwaltschaft für den Inhalt der Auskünfte verantwortlich, die den Medien erteilt werden. Sie kann die Polizeibehörden mit der Veröffentlichung der Medienerklärung beauftragen.

4.
Pressekonferenzen über Ermittlungsverfahren hat die Leitung der Staatsanwaltschaft nach Möglichkeit  selbst durchzuführen. In Kapitalsachen kann die Behördenleitung die Sachbearbeiterin/den Sachbearbeiter für Kapitalsachen mit der Vertretung beauftragen. Den zuständigen Polizeibehörden ist Gelegenheit zu geben, an der Pressekonferenz teilzunehmen.

5.
Der RdErl. d. IM vom 10. März 1994 kann auch bei außergewöhnlichen Sicherheitsstörungen im Justizvollzug Bedeutung erlangen. Insoweit ist vor allem auf Nr. 9 und Nr. 10 der "Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung" (Anlage 2 des Runderlasses) hinzuweisen. Insbesondere hinsichtlich der Nr. 9 der Verhaltensgrundsätze besteht mit dem Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Einvernehmen darüber, dass von diesem Grundsatz generell außergewöhnliche Sicherheitsstörungen in Justizvollzugsanstalten des geschlossenen Vollzuges auszunehmen sind und die Polizei in diesem Bereich den Medien eine Film-/Fotoerlaubnis nicht erteilen kann und wird.

In solchen Fällen können Bildaufnahmen von Räumlichkeiten einer Justizvollzugsanstalt grundsätzlich die Sicherheit und/oder Ordnung der Anstalt in nicht unerheblichem Maße gefährden. Überdies sind die schützenswerten Interessen der (insbesondere unbeteiligten) Gefangenen im Hinblick auf vertrauliche Behandlung besonders zu berücksichtigen.

Nach dem Gemeinsamen Runderlass des JM (4434 - IV A. 73) und des IM (IV C 2 - 600/A 2 - 2931) vom 20. Juli 1976 "Maßnahmen zur Sicherheit der Justizvollzugsanstalten des geschlossenen Vollzuges bei außergewöhnlichen Sicherheitsstörungen" behält der Anstaltsleiter auch nach Übernahme der Einsatzleitung durch die Polizei weiterhin in wichtigen Teilbereichen die Verantwortung für Sicherheit und Ordnung in seiner Anstalt (zu vgl. insbesondere Nr. 3.1, 3.2, 3.3, 4.l und 4.2).

Soweit aus polizeitaktischen Erwägungen Filmen und Fotografieren im Anstaltsbereich - gleiches gilt für die Informationserteilung im. Sinne der Nr. 10 der Anlage 2 zum RdErl. d. IM vom 10. März 1994 - im Einzelfall als unerlässlich erscheinen, ist entsprechend Nr. 3.2 Satz 2 des Gemeinsamen Runderlasses vom 20. Juli 1976 zu verfahren.

6.
Im übrigen bleiben die Richtlinien für die Zusammenarbeit mit der Presse vom 25. Juni 1981 (1271 - II C. l) i.d.F. vom 22. April 1985 unberührt.

7.
Über Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Rundverfügung bitte ich mir zu berichten.

IV.

Die RV vom 14. Januar 1964 (1274 - III A. 2) wird aufgehoben.