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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

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Anzeige-, Straf- und Bußgeldsachen gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages,
der gesetzgebenden Körperschaften der Länder oder des Europäischen Parlaments
aus der Bundesrepublik Deutschland (1044 - III A. 1)
AV d. JM vom 10. Oktober 1990 - JMBl. NW S. 241 -

I.

Vorgänge, die Anzeigen gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden Körperschaften der Länder oder gegen Mitglieder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand haben, sind im AR-Register zu führen und als Anzeigesachen zu bezeichnen, solange die Immunität des Abgeordneten der Untersuchung entgegensteht. Richtet sich die Anzeige auch gegen eine andere Person, so ist für die Anzeigesache gegen den Abgeordneten zunächst ein besonderer Vorgang anzulegen.

In Anzeigesachen dieser Art ist der Ausdruck "Beschuldigter" zur Bezeichnung des Abgeordneten nicht zu verwenden. Besteht Anlass, von Amts wegen einen Vorgang anzulegen, so ist entsprechend zu verfahren.
Anzeigesachen gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden Körperschaften der Länder oder des europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland sind beschleunigt zu bearbeiten.

Schreiben an den Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft und an Abgeordnete zeichnet der Behördenleiter, im Falle seiner Verhinderung sein Vertreter.

In Schreiben an Privatpersonen oder an dritte Stellen sind Angaben über die Person des Abgeordneten nach Möglichkeit zu vermeiden. In Fällen, in denen im Interesse einer sachgemäßen Beantwortung des Schreibens auf die Angabe des Namens des Abgeordneten nicht verzichtet werden kann, sollte der Gegenstand der Untersuchung nicht erwähnt werden.

II.

In Anzeige-, Straf- und Bußgeldsachen gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden Körperschaften der Länder oder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland sind die Nummern 191 - 192 b und 298 RiStBV zu beachten.

In den Fällen der Nummer 191 Abs. 2 RiStBV stellt der Staatsanwalt bis zur Erteilung der Genehmigung das bereits anhängige Verfahren von Amts wegen vorläufig ein. Ist das Verfahren bereits bei Gericht anhängig, beantragt er die vorläufige Einstellung des Verfahrens.

Die Genehmigung für eine Privatklage gegen einen Abgeordneten hat der Privatkläger selbst herbeizuführen. Der Staatsanwalt führt gemäß Nummer 192 Abs. 4 RiStBV die Entschließung der Körperschaft nur herbei, wenn er die öffentliche Klage erheben will (§ 376 StPO).

Gemäß Nummer 192 a Abs. 2 Satz 2 RiStBV ist eine besondere Genehmigung für die Maßnahme nach § 111 a StPO nicht erforderlich. Der Präsident der gesetzgebenden Körperschaft ist jedoch von der nach § 111 a StPO angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis unverzüglich zu unterrichten.

Richtet sich die Maßnahme nach Nummer 192 a Abs. 2 Buchstabe d RiStBV gegen ein Mitglied des Landtags des Landes Nordrhein-Westfalen, wird die Genehmigung erst wirksam, wenn die für die Anordnung zuständigen Stellen dem Präsidenten des Landtags vor dem Vollzug unter Angabe der Gründe und des beabsichtigten Beginns Mitteilung machen und sicherstellen, dass die vom Präsidenten des Landtags im Einvernehmen mit dem Vizepräsidenten gegebenenfalls erteilten Auflagen befolgt werden, wenn der Präsident des Landtags ausdrücklich erklärt hat, dass keine oder gegebenenfalls welche Auflagen erteilt werden.

Bei dem Verfahren nach Nummer 192 a Abs. 5 und Nummer 192 b Abs. 4 RiStBV ist es zweckmäßig, den Abgeordneten zu bitten, er möge, falls er beabsichtige, sich zu der Anschuldigung zu äußern, die Stellungnahme in einer bestimmten angemessenen Frist einreichen.

III.

Die allgemeine Genehmigung und die im Einzelfall erteilte Genehmigung einer gesetzgebenden Körperschaft zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen eines ihrer Mitglieder enthalten nicht zugleich die Genehmigung zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, auf die in diesem Verfahren erkannt worden ist.

Soweit Verfassungsbestimmungen die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ohne Genehmigung der Körperschaft zulassen, wenn dadurch die Ausübung des Abgeordnetenmandats nicht beeinträchtigt wird, wird die Strafvollstreckungsbehörde in aller Regel nicht mit Sicherheit feststellen können, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Denn die Ausübung des Abgeordnetenmandats erschöpft sich nicht in der Teilnahme an den Sitzungen der Körperschaften und ihrer Ausschüsse, sondern umfasst die gesamte parlamentarische Arbeit des Abgeordneten einschließlich deren Vorbereitung. In aller Regel ist deshalb zur Einleitung und Durchführung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe eine besondere Genehmigung einzuholen. In Nordrhein-Westfalen bedarf die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in jedem Fall der Genehmigung des Landtages.

Soll ohne besondere Genehmigung eine Freiheitsstrafe gegen ein Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft vollstreckt werden, so ist dem Justizminister vor Einleitung einer Vollstreckungsmaßnahme unter Vorlage der Akten zu berichten.

IV.

Der Beschluss des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden Körperschaften der Länder oder des Europäischen Parlaments, die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen einen Abgeordneten nicht zu erteilen oder die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen, ist nur für die Dauer der laufenden Wahlperiode wirksam. Ein solcher Beschluss bedeutet im übrigen nicht, dass die Angelegenheit für die laufende Wahlperiode als völlig abgeschlossen angesehen werden muss. Der Staatsanwalt kann um Überprüfung der Entschließung der betreffenden Körperschaft bitten, wenn ihm wesentliche neue Vorgänge bekannt werden, die zu einer anderen Beurteilung Anlass geben können.

Nach der Neuwahl der Körperschaft sind die Anzeigesachen, in denen die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens nicht erteilt oder die auf Verlangen der Körperschaft ausgesetzt worden sind, zu überprüfen. Ist der Abgeordnete wiedergewählt worden, so ist alsbald nach dem Zusammentritt der Körperschaft eine neue Entschließung über die Genehmigung bzw. eine Überprüfung des Aussetzungsverlangens herbeizuführen. Für den neuen Antrag auf Aufhebung der Immunität ist es nicht erforderlich, dass wesentliche neue Vorgänge bekanntgeworden sind.

Ist der Gegenstand der Anzeigesache eine strafbare Handlung, die mit der Privatklage verfolgt werden kann, und hat die betreffende Körperschaft die Genehmigung zur Strafverfolgung nicht erteilt oder die Aussetzung des Verfahrens verlangt, so prüft der Staatsanwalt in bestimmten Zeitabständen, insbesondere nach der Neuwahl der Körperschaft, ob das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Amts wegen noch besteht oder ob das Verfahren mit der Folge eingestellt werden muss, dass die Verletzten die Angelegenheit nur noch im Wege der Privatklage weiterverfolgen können (§§ 374, 376 StPO).

Beabsichtigt der Staatsanwalt in den Fällen des vorstehenden Absatzes die Einstellung des Verfahrens, so führt er eine Entschließung des Justizministeriums herbei.

V.

Die Berichtspflicht nach Nummer 1 der Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen (BeStra) bleibt unberührt.

Wird ein Mitglied des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden Körperschaften der Länder oder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland vorläufig festgenommen oder wird gegen ein solches Mitglied ein Haftbefehl erlassen oder vollzogen, so ist dem Justizministerium fernmündlich oder fernschriftlich zu berichten.

Nach vorstehendem Absatz ist auch dann zu verfahren, wenn in einer Strafsache die Vorführung eines Mitgliedes des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden Körperschaften der Länder oder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland angeordnet oder vollzogen wird.

Nummer 192 Abs. 5 RiStBV ist auch dann - in Verfahren gegen ein Mitglied des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland entsprechend - anzuwenden, wenn der Beschuldigte nach der Erteilung der Strafverfolgungsgenehmigung aus der Körperschaft ausgeschieden ist.

VI.

Die Allgemeine Verfügung vom 18. Dezember  1980 (1044 - III A. 1) - JMBl. NW 1981 S. 37 - hebe ich auf.