/WebPortal_Relaunch/Service/mediathek_neu

Bücherstapel
© panthermedia.net / Mitar gavric

Justizverwaltungs­vorschriften-Online

Eine Datenbank der Justiz Nordrhein-Westfalen
Die Justizverwaltungsvorschriften in einer Datenbanklösung mit komfortabler Volltextsuche.

Bestrafung von asylsuchenden Ausländern bei
illegaler Einreise
RV d. JM vom 5. März 1991 (9174 - III A. l)

I.


Das Ausländergesetz vom 28. April 1965 (BGBl. I S. 353), zuletzt geändert durch Artikel 9 Abs. 5 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl. I S. 1163), ist durch das am l. Januar 1991 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) außer Kraft gesetzt worden. Seit dem l. Januar 1991 gilt das Ausländergesetz in der Fassung des Artikels l des Gesetzes vom 9. Juli 1990.

II.


Für asylsuchende Ausländer gilt das am l. August 1982 in Kraft getretene Gesetz über das Asylverfahren vom 16. Juli 1982 (BGBl. I S. 946) (Fn 1) zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) (Fn 2).

l.
Verstöße gegen Bestimmungen, die den Grenzübertritt von Ausländern und ihren Aufenthalt im Inland betreffen, werden nach den §§ 92, 93 AuslG als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten geahndet.

2.
Art. 31 Abs. l des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559), der nach § 92 Abs. 5, § 93 Abs. 6 AuslG unberührt bleibt, hat folgenden Wortlaut:

"Die vertragsschließenden Staaten werden wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalte keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinn von Artikel l bedroht waren, und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragschließenden Staaten einreisen oder sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen."

a)
Die Frage, ob ein um Asyl nachsuchender Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge ist, wird im Anerkennungsverfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (§ 4 AsylVfG) (Fn 3) verbindlich entschieden (§ 18 AsylVfG) (Fn 4). Es empfiehlt sich daher, dass die Strafverfolgungsbehörde vor ihrer abschließenden Verfügung die Entscheidung des Bundesstatuts abwartet.

b)
Zur Auslegung des Wortes "unmittelbar" in Artikel 31 Abs. l des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge hat der Bundesminister der Justiz in einem Schreiben an den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge vom 2. Februar 1956 folgenden Standpunkt vertreten:

Artikel 31 aaO. setzt nicht voraus, dass das Herkunftsland, das der in der in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachsuchende Flüchtling wegen Bedrohung seines Lebens oder seiner Freiheit verlassen hat, an die Bundesrepublik Deutschland angrenzt. Man wird vielmehr annehmen müssen, dass der Flüchtling auch dann "unmittelbar" aus dem Herkunftsland in die Bundesrepublik Deutschland kommt, wenn er mit einem Flugzeug über das Gebiet eines Zwischenstaates hinwegfliegt und in der Bundesrepublik Deutschland landet, u. U. auch dann, wenn er mit der Eisenbahn durch das Gebiet eines Zwischenstaates hindurch (etwa als blinder Passagier) in die Bundesrepublik Deutschland einreist.
Geht man von dieser Auffassung aus, so wird dafür, ob der Flüchtling aus seinem Herkunftsgebiet "unmittelbar" in die Bundesrepublik Deutschland kommt, der Umstand entscheidend sein, ob der Flüchtling bereits beim Verlassen des Herkunftslandes die Absicht hatte, sich sofort in die Bundesrepublik Deutschland zu begeben, und ob er diese Absicht auf dem schnellsten Wege verwirklicht hat. Ihrer Auffassung, dass das regelmäßig nicht der Fall sein wird, wann der Flüchtling in einem Zwischenstaat Aufnahme gefunden hat, stimme ich daher zu. Aber auch dann, wenn der Flüchtling in einem Zwischenstaat eine frühere Absicht der sofortigen Weiterreise aufgegeben und etwa bei den dortigen Behörden um Aufnahme nachgesucht hat, kommt er bei anschließender Weiterreise in die Bundesrepublik nach meiner Auffassung nicht mehr "unmittelbar" aus seinem Herkunftsgebiet.

c)
In den Fällen, in denen der Asylsuchende unter Verstoß gegen die Einreisebestimmungen der §§ 3, 4 AuslG in das Bundesgebiet eingereist ist, wird bei geringem Verschulden vielfach die Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO in Betracht kommen unter der Voraussetzung, dass er seinen Asylantrag unverzüglich bei der Ausländerbehörde stellt.

III.


Die Rundverfügung vom 6. September 1965 (9174 - III A. l) wird aufgehoben.


Fußnoten :

   Fn1: AsylVfG vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1126), in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl. I S. 1361)

   Fn2: Gesetz vom 29.10.1997 (BGBl. I S. 2584)

   Fn3: § 5 des AsylVfG vom 26. Juni 1992

   Fn4: § 4 des AsylVfG vom 26. Juni 1992