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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

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Durchführung des Infektionsschutzgesetzes
RV d. JM vom 13. August 2001 (4551 - IV B. 17)
in der Fassung vom 16. September 2010


Zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) weise ich im Einvernehmen mit dem Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen für den Bereich des Justizvollzuges insbesondere auf Folgendes hin:

1. Meldepflichtige Krankheiten, Meldepflicht


Im Bereich des Justizvollzuges NRW sind auch bei den Verdachts-, Krankheits- und Todesfällen nach § 6 Abs. 1 Nummern 1, 2 und 5 IfSG in der Regel die feststellenden Anstaltsärztinnen und Anstaltsärzte sowie die Ärztinnen und Ärzte im Justizvollzugskrankenhaus NRW in Fröndenberg zur namentlichen Meldung oder Mitteilung an die zuständige untere Gesundheitsbehörde (Gesundheitsamt) des Haftortes verpflichtet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 IfSG).
Die Leiterinnen und Leiter der Justizvollzugsanstalten (und der Jugendarrestanstalten) sind nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 IfSG nur dann zur Meldung oder Mitteilung verpflichtet, wenn eine Ärztin oder ein Arzt nicht hinzugezogen wurde (§ 8 Abs. 2 Satz 2 IfSG).

Die namentliche Meldung muss die in § 9 Abs. 1 IfSG genannten Angaben enthalten, soweit sie der Anstalt vorliegen. Die namentliche Meldung ist unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden nach erlangter Kenntnis gegenüber dem für die Justizvollzugsanstalt zuständigen Gesundheitsamt zu erstatten, auch wenn die Informationen zur Meldung noch nicht vollständig vorliegen. Nachmeldungen oder Korrekturen haben unverzüglich zu erfolgen.
Die Meldepflicht besteht nicht, wenn dem Meldepflichtigen ein Nachweis vorliegt, dass die Meldung bereits erfolgte und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden (§ 8 Abs. 3 IfSG).
Die oder der Meldepflichtige hat dem Gesundheitsamt unverzüglich mitzuteilen, wenn sich eine Verdachtsmeldung nicht bestätigt hat (§ 8 Abs. 5 IfSG).

2. Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern, Meldepflicht für Laboratorien


Nachweise von Krankheitserregern in von Menschen stammendem Untersuchungsmaterial sind in den Fällen des § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG namentlich und unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden nach erlangter Kenntnis, dem zuständigen Gesundheitsamt und in den Fällen des § 7 Abs. 3 IfSG nichtnamentlich innerhalb von zwei Wochen unmittelbar dem Robert Koch-Institut (RKI) zu melden. Zu melden sind nur akute frische Infektionen.

Zur Meldung verpflichtet sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 IfSG im Bereich des Justizvollzuges in erster Linie die Leiterin oder der Leiter des Krankenhauslaboratoriums im Justizvollzugskrankenhaus NRW in Fröndenberg und Ärztinnen und Ärzte des Justizvollzuges, die zu meldende Krankheitserreger in ihrer anstaltsärztlichen Praxis nachweisen.

3. Meldepflicht bei Entlassung oder Verlegung von Gefangenen


Die Entlassung oder Verlegung einer oder eines nach §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtigen Gefangenen ist dem Gesundheitsamt des Haftortes unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden, zu melden. Der Entlassungs- oder Verlegungsmeldung ist von der Anstaltsärztin oder dem Anstaltsarzt ein Behandlungsbericht beizufügen. Wenn die Meldefrist anders nicht eingehalten werden kann, ist der Behandlungsbericht unverzüglich nachzusenden.

4. Aufzeichnungspflicht nosokomialer Infektionen, Resistenzen, Meldepflicht


4.1
Die Leiterin oder der Leiter des Justizvollzugskrankenhauses NRW ist verpflichtet, die vom Robert Koch-Institut (RKI) nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b IfSG festgelegten nosokomialen Infektionen (Definition vgl. § 2 Nr. 8 IfSG) und das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen fortlaufend in einer gesonderten Niederschrift aufzuzeichnen und zu bewerten. Eine alleinige Dokumentation in den jeweiligen Gesundheitsakten der Gefangenen entspricht nicht § 23 Abs. 1 IfSG und ist nicht ausreichend.

Die Liste der zu erfassenden Erreger wird vom RKI erstellt und im Bundesgesundheitsblatt sowie im Internet unter www.rki.de(Krankenhaushygiene) veröffentlicht.
Die Aufzeichnung der Bewertung, die die Erfassung relevanter Bezugsgrößen voraussetzt, schließt die Darlegung der Bewertungskriterien ein und sollte auch die aus der Bewertung abgeleiteten Maßnahmen und deren Erfolgskontrolle beinhalten.
Die Aufzeichnungen müssen jederzeit einen aktuellen Überblick sicherstellen.

Dem zuständigen Gesundheitsamt ist auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen zu gewähren. Die Aufzeichnungen sind zehn Jahre aufzubewahren.

4.2
Darüber hinaus ist dem Gesundheitsamt unverzüglich das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nichtnamentlich zu melden (§ 6 Abs. 3 IfSG).

5. Belehrungen, Bescheinigungen, Untersuchungen


5.1
Bei den Justizvollzugs- und Jugendarrestanstalten unterliegen der Belehrungs- und Bescheinigungspflicht gemäß § 43 IfSG alle Personen (sowohl Bedienstete als auch Gefangene und ggf. sonstige Personen), die

5.1.1
in Küchen oder Kantinen eingesetzt sind einschließlich der Gemüseputzerinnen und -putzer und Kartoffelschälerinnen und -schäler,

5.1.2
in Bäckereien beschäftigt sind, sofern dort Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage hergestellt werden,

5.1.3
in Vollzugseinrichtungen angelieferte Verpflegung - einschließlich Getränke - aufbereiten oder portionieren.

5.2
Die Belehrung und Ausstellung der Bescheinigung führt das zuständige Gesundheitsamt durch. Es liegt jedoch im Ermessen des Gesundheitsamtes, Anstaltsärztinnen und Anstaltsärzte mit den Belehrungen und dem Ausstellen der Bescheinigungen nach § 43 Abs. 1 IfSG zu beauftragen. Von Seiten der Justizbehörden soll auf solche Vereinbarungen  mit den Gesundheitsämtern hingewirkt werden.

5.3
Die unter Abschnitt 5.1 genannten Personen dürfen dort erstmalig nur beschäftigt werden, wenn durch eine nicht mehr als 3 Monate alte Bescheinigung des Gesundheitsamtes oder der beauftragten Anstaltsärztin bzw. des beauftragten Anstaltsarztes nachgewiesen ist, dass sie
a) über die in § 42 Abs. 1 IfSG genannten Tätigkeitsverbote
und
b) über die Verpflichtung der unverzüglichen Mitteilung von bestehenden oder auftretenden Hinderungsgründen (§ 42 Abs. 1 IfSG) mündlich und schriftlich belehrt
   wurden und sie nach der Belehrung schriftlich erklärt haben, dass ihnen keine Tatsachen für ein Tätigkeitsverbot bei ihnen bekannt sind (§ 43 Abs. 1 IfSG).

5.3.1
Die Belehrungen sind nach Aufnahme der Tätigkeit und im Weiteren jährlich von der Anstaltsärztin oder dem Anstaltsarzt zu wiederholen. Die Teilnahme an den Belehrungen ist zu dokumentieren (§ 43 Abs. 4 und 5 IfSG).

5.4.
Wegen der besonderen gesundheitlichen Risikolage im Justizvollzug haben die Anstaltsärztinnen und Anstaltsärzte die Gefangenen, die für Arbeiten in den in Nummern 5.1.1 bis 5.1.3 genannten Tätigkeitsbereichen vorgesehen sind, vor der Erteilung der Bescheinigung gem. § 43 Abs. 1 IfSG körperlich zu untersuchen und anamnestische Feststellungen zu treffen. Sie können ergänzende Untersuchungen (hierbei kann es sich beispielsweise um Stuhlproben, Tuberkulintests, Röntgenaufnahmen pp. handeln) anordnen, wenn Anamnese und körperlicher Befund hierfür Anlass geben. Das Untersuchungsergebnis ist in den Gesundheitsakten zu dokumentieren.

5.4.1
Auf Grund dieser Untersuchungen geeignete Gefangene werden dem zuständigen Gesundheitsamt zur Belehrung und Ausstellung der Bescheinigung gem. § 43 Abs. 1 IfSG vorgestellt, sofern nicht Anstaltsärztinnen und Anstaltsärzte damit beauftragt worden sind und dieses deshalb selbst ausführen können.

5.4.2
Auf Grund dieser Untersuchungen nicht geeignete Gefangene können die in Nummern 5.1.1 bis 5.1.3 genannten Tätigkeiten nicht ausüben und keine Bescheinigung gem. § 43 Abs. 1 IfSG erhalten. Sie sind deshalb auch nicht dem Gesundheitsamt vorzustellen.

5.5 (Fn 1)
Gefangene, die zur Austeilung der Anstaltsverpflegung eingesetzt werden sollen, sind nach Maßgabe der Nummer 24 Absatz 2 DOG vor ihrem Einsatz durch den ärztlichen Dienst zu untersuchen.

6. Aufbewahrung der Bescheinigungen und Dokumentationen


Die Untersuchungsergebnisse der in den Abschnitten 5.4 und 5.5 genannten Gefangenen sind in den Gesundheitsakten zu vermerken.
Die Bescheinigungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 IfSG und die Dokumentation der Wiederholungsbelehrungen nach § 43 Abs. 4 und 5 IfSG sind bei den Bediensteten zu den Personalakten und bei den Gefangenen zu den Gesundheitsakten zu nehmen.
Ein Zweitstück der Bescheinigung und der Dokumentation über die letzte Belehrung ist an der Arbeitsstätte verfügbar zu halten.

7. Schutzkleidung


Die mit der Zubereitung und Ausgabe von Speisen befassten Personen müssen bei Ausübung ihrer Tätigkeit sauber gekleidet sein und Schutzkleidung tragen.

8. Hygieneplan


Die Justizvollzugs- und Jugendarrestanstalten haben nach § 36 IfSG Hygienepläne aufzustellen, in denen die innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festzulegen sind. Das Gesundheitsamt ist frühzeitig über die Aufstellung der Hygienepläne zu informieren.
Bei der Aufstellung der Hygienepläne sind Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der Vollzugseinrichtung, insbesondere aus dem Küchen- Sanitär- und Unterbringungsbereich sowie der Krankenabteilung zu beteiligen. Dabei ist folgendermaßen vorzugehen:

* Analyse der Infektionsgefahren: welche Risiken durch welche Personen und durch welche Ursachen
* Bewertung der Risiken: wo besteht Handlungsbedarf und in welchem Umfang
* Risikominimierung durch konkrete notwendige Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen
* Festlegung der Überwachungsverfahren, Kontrolle durch eine Beauftragte oder einen Beauftragten der Einrichtung
* Schriftliche Dokumentation des Hygieneplans und der Durchführung der Maßnahmen
* Schulung der Beteiligten

Der Hygieneplan ist regelmäßig zu überprüfen und ggf. fortzuschreiben. Auf Verlangen ist er dem Gesundheitsamt vorzulegen.

9. Gefangene in Unternehmerbetrieben außerhalb der Vollzugseinrichtung


9.1
Gefangene dürfen einem privaten Betrieb zur Ausführung einer der in § 42 Abs. 1 IfSG aufgeführten Tätigkeiten oder Beschäftigungen erst dann überlassen werden, wenn der Anstalt die schriftliche Erklärung des Betriebes vorliegt, dass er für jeden Gefangenen die Bescheinigung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 und die Erklärung nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 IfSG besitzt und er die Anstalt über ihm bekannt werdende Umstände unterrichten wird, die eine Beschäftigung einer oder eines Gefangenen mit den in § 42 Abs. 1 IfSG bezeichneten Tätigkeiten ausschließen.

9.2
Zu anderen Tätigkeiten, bei denen ein Kontakt mit Lebensmitteln ausgeschlossen ist, dürfen Gefangene einem Lebensmittelbetrieb erst überlassen werden, wenn der Anstalt die schriftliche Versicherung des Betriebes vorliegt, dass diese Gefangenen nicht zu einer der in § 42 Abs. 1 IfSG aufgeführten Tätigkeiten oder Beschäftigungen herangezogen werden.

9.3
Die aus Anlass der gesundheitlichen Untersuchungen von Gefangenen entstehenden Kosten trägt in der Regel der Unternehmerbetrieb. Die Anstalt soll auf eine vertragliche Verpflichtung hinwirken.

10. Kosten


Von einer Anforderung der Kosten für die Meldungen nach den Abschnitten 1 - 4 dieser Rundverfügung ist abzusehen.

Die den staatlichen oder kommunalen Stellen bei der Durchführung von Untersuchungen sowie für die Ausstellung der Bescheinigungen entstehenden Kosten sind auf Anforderung zu erstatten. Zur Vereinfachung der Rechnungslegung ist mit diesen Stellen, soweit möglich, eine Vereinbarung zu treffen, nach der jeweils für einen längeren Abrechnungszeitraum abgerechnet wird und in der Kostenrechnung zum Ausdruck kommt, dass die Forderung als sachlich und rechnerisch richtig festgestellt worden ist.
In diesem Falle bedarf es gemäß Nr. 19.1 VV zu § 70 LHO einer nochmaligen Feststellung nicht.

Die Kosten der Untersuchungen nach Abschnitt 5 sind bei Bediensteten und Privatpersonen aus Kapitel 04 410 Titel 526 01 (unter EPOS.NRW Sachkonto 6319000000) und

bei Gefangenen aus Kapitel 04 410 Titel 514 60 (unter EPOS.NRW Sachkonto 6290010010) des Landeshaushalts zu zahlen. (Fn 2)


11. Vordrucke/Formulare


Die für die Meldungen, Belehrungen und Bescheinigungen pp. vorgesehenen Vordrucke sind von dem für die Justizvollzugsanstalt örtlich zuständigen Gesundheitsamt zu beziehen.

12.

Die Rundverfügungen vom 10.05.1983 und vom 06.01.1994 (4551 - IV B. 17) werden aufgehoben.


Fußnoten :

   Fn1: Geändert durch RV d. JM vom 29. Dezember 2009. Die Änderung tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2010 in Kraft.

   Fn2: Geändert durch RV d. JM vom 16. September 2010. Die Änderung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.