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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

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Einrichtung einer Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW)
und von
Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung

AV d. JM vom 31. August 2020
(4201 - III. 9 Sdb. Schwerpunkte)
- JMBl. NRW S. 243 -

 

1.

Grundsätzliches

Die effektive Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und der Organisierten Wirtschaftskriminalität mit strafrechtlichen Mitteln setzt voraus, dass immer komplexere kriminelle Strukturen erkannt und aufgebrochen werden. Weit vernetzte Beziehungsgeflechte, aufwändig verschleierte Geschäftsstrukturen, die hohe Mobilität der Täter sowie die an Gewinnmaximierung orientierten Handlungsmuster fortlaufend besser organisiert auftretender Gruppierungen verlangen auch von den Strafverfolgungsbehörden neue Organisationsstrukturen. Neben der Aufdeckung von Strukturen und Netzwerken bedarf es einer Austrocknung der Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität auf Grundlage der erweiterten Möglichkeiten des reformierten Vermögensabschöpfungsrechts, insbesondere der selbständigen erweiterten Einziehung von Vermögen. Inkriminierte Geldflüsse eröffnen einerseits Erkenntnisquellen über verübte Straftaten, andererseits sind sie im Bereich der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität vielfach die Lebensader für die Begehung weiterer Straftaten. Die Vermögensabschöpfung ist deshalb frühzeitig und mit konzentriertem Sachverstand mit den Ermittlungsmaßnahmen zur Aufdeckung der Straftaten zu verzahnen.

 

Organisierte Kriminalität zeichnet sich regelmäßig dadurch aus, dass Straftaten im Verborgenen begangen werden und auch in ihren Auswirkungen unerkannt bleiben. Es werden hierdurch vielfach ohne Anhalt für strafbares Verhalten immense Gewinne erzielt, die wiederum in kriminelle Strukturen investiert oder zur Unterwanderung des legalen Wirtschaftslebens eingesetzt werden. Eine effektive Strafverfolgung muss Zeit und Raum haben, um über Zuständigkeitsgrenzen hinaus das Dunkelfeld aufzuhellen. Hierzu werden Schwerpunktstaatsanwaltschaften für herausgehobene Verfahren der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität und für Vermögensabschöpfung an den Standorten der Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen und eine Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Organisierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW) eingerichtet, die die gewachsenen und auch weiterhin erhaltenen Strukturen der Verfolgung Organisierter Kriminalität mit langfristig gebündeltem Sachverstand und zusätzlichen Ressourcen für aufwändige, langwierige Ermittlungen vor Ort ergänzen und entlasten können sowie landesweit stärken werden.

 

2.

Begriffsbestimmung

Herausgehobene Verfahren Organisierter Kriminalität im Sinne dieser AV liegen in der Regel vor, wenn in einem Verfahren besonderen Umfangs aus dem Bereich der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität zusätzlich einer oder mehrere der nachfolgenden Indikatoren gegeben sind:

 

  • bestehende oder aufgrund der Gesamtumstände des Verfahrens zu erwartende Zuständigkeiten mehrerer Staatsanwaltschaften innerhalb und ggfs. auch außerhalb Nordrhein-Westfalens aufgrund vorwiegend überregionaler Tatbegehungen bzw. einer überwiegend überregionalen OK-Struktur,

 

  • eine einzelne Tat oder mehrere Taten innerhalb eines Bezirks einer Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen zeichnen sich aufgrund ihrer Schwere einzeln oder in ihrer Gesamtheit oder wegen der hinter der Tat bzw. Taten stehenden OK-Struktur besonders aus,

 

  • im Laufe der Ermittlungen zu erwartende besonders umfassende und komplexe Finanzermittlungen und vorläufige Maßnahmen der Vermögensabschöpfung.

 

3.

Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung

 

3.1

Bestimmung der Schwerpunktstaatsanwaltschaften

Bei den Staatsanwaltschaften, die nach der RV d. JM vom 30. März 1968 (4100 – III A. 172) zu Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen bestimmt sind, wird ein weiterer Schwerpunkt für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung eingerichtet. Demnach werden zu Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung bestimmt in den Bezirken

 

der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf

 

          die Staatsanwaltschaft Düsseldorf,

 

der Generalstaatsanwaltschaft Hamm

 

           die Staatsanwaltschaften Bielefeld und Bochum

 

und der Generalstaatsanwaltschaft Köln

 

           die Staatsanwaltschaft Köln.

 

3.2

Verfahrensführung durch die Schwerpunktstaatsanwaltschaften

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaften gemäß Nummer 3.1 dieser AV sind zuständig

 

  • für die Bearbeitung von herausgehobenen Verfahren der Organisierten Kriminalität im Sinne von Nummer 2 dieser AV aus ihrem Bezirk, soweit eine Zuständigkeit der ZeOS NRW nicht begründet ist, und aus anderen Bezirken, wenn sie ihnen von der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt gemäß § 145 Absatz 1 GVG oder vom Ministerium der Justiz gemäß §§ 147 Nummer 2, 145 Absatz 1 GVG übertragen werden, und

 

  • für sonstige Verfahren der Organisierten Kriminalität, für die die jeweilige Staatsanwaltschaft, bei der der Schwerpunkt eingerichtet ist, gemäß § 143 Absatz 1 GVG zuständig ist.

 

3.3

Organisation der Schwerpunkte für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung

Die Organisation der in Nummer 3.1 dieser AV zu Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung benannten Staatsanwaltschaften obliegt nach § 6 Absatz 2 Satz 1 JustG NRW der jeweiligen Behördenleitung mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft.

 

3.4

Verknüpfung der Schwerpunkte

Die Behördenleitungen der in Nummer 3.1 dieser AV genannten Staatsanwaltschaften stellen jeweils organisatorisch einen Wissens- und Erfahrungs­austausch zwischen den bei ihnen eingerichteten Schwerpunkten sicher.

 

3.5

Abgaben von Verfahren

Die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt können die den Schwerpunkten nach Nummer 3.2 dieser AV übertragenen Verfahren oder selbständige Teile davon an die örtlich nach § 143 Absatz 1 GVG zuständige Staatsanwaltschaft abgeben, wenn die Voraussetzungen der Zuweisung entfallen sind. Soweit ein Verfahren an eine Staatsanwaltschaft aus dem Bezirk einer anderen Generalstaatsanwältin oder eines anderen Generalstaatsanwalts abgegeben wird, erfolgt die Abgabe über diese bzw. diesen.

 

Im Übrigen gelten Nummern 4.1.5 bis 4.1.8 dieser AV entsprechend.

 

3.6

Sonstige Aufgaben der Schwerpunkte

Die Schwerpunkte für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung aus den Bezirken der Generalstaatsanwaltschaft Hamm und der Generalstaatsanwaltschaft Köln unterstützen die ZeOS NRW unter Koordinierung durch den Generalstaatsanwalt oder die Generalstaatsanwältin ihres Bezirks in vertrauensvoller Zusammenarbeit bei den ihr in Nummern 4.2 und 4.3 dieser AV übertragenen Aufgaben.

 

4.

Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nimmt die Aufgaben der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW) wahr.

 

Die ZeOS NRW bildet die organisatorische Verknüpfung nach Nummer 3.4 dieser AV des bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf eingerichteten Schwerpunkts für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung sowie des Schwerpunkts für die Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen.

 

Darüber hinaus führt sie in landesweiter Zuständigkeit herausgehobene Verfahren der Organisierten Kriminalität, die ihr nach Maßgabe von Nummer 4.1.1 dieser AV zugewiesen sind. Ihr obliegt zudem die Wahrnehmung der Aufgaben einer zentralen Ansprechstelle des Landes Nordrhein-Westfalen für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung sowie die Mitwirkung bei regionalen und überregionalen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in diesem Bereich.

 

4.1

Landesweite Verfahrenszuständigkeiten der ZeOS NRW

 

4.1.1

Der ZeOS NRW sind aus den Bezirken der Generalstaatsanwaltschaften Düsseldorf, Hamm und Köln nach § 143 Absatz 4 GVG die Amtsverrichtungen in Strafsachen aus dem Bereich der Verfolgung der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität übertragen, wenn in Strafsachen der vorbezeichneten Art Anhaltspunkte für über den Bezirk einer Generalstaatsanwaltschaft des Landes hinausreichende, länderübergreifende oder internationale Tatzusammenhänge erkennbar sind und eine zentrale Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist, namentlich weil

 

a)

die polizeilichen Aufgaben der Strafverfolgung wahrgenommen werden durch

 

  • das Bundeskriminalamt oder

 

  • das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen

 

und sich diese Behörden an die ZeOS NRW mit der Bitte um Verfahrensführung wenden, sofern nicht bereits eine andere Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen mit dem Verfahren befasst ist, oder

 

b)

das Verfahren durch die ressortübergreifende Task Force zur Bekämpfung der Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismus im Rahmen ihrer Aufgaben generiert worden ist.

 

4.1.2

Die Möglichkeit einer über Nummer 4.1.1 dieser AV hinausgehenden Einzelzuweisung nach §§ 147 Nummer 2, 145 Absatz 1 GVG bleibt unberührt.

 

4.1.3

Die ZeOS NRW kann ihr nach Nummer 4.1.1 dieser AV zugewiesene Verfahren oder selbständige Teile davon jederzeit an die örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Dies erfolgt über die Generalstaatsanwältin bzw. den Generalstaatsanwalt in Düsseldorf sowie über die jeweilige Generalstaatsanwältin oder den jeweiligen Generalstaatsanwalt, in deren oder dessen Bezirk die sachlich und örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, im gegenseitigen Einvernehmen. Sie soll von einem Abgabeersuchen dann absehen, wenn sie den Abschluss des Verfahrens ohne größeren Aufwand selbst herbeiführen kann. Selbständige Teile eines zugewiesenen Verfahrens soll die ZeOS NRW nicht abgeben, wenn hierdurch eine für eine effektive Strafverfolgung erforderliche Ermittlungskoordination gefährdet werden könnte.

 

Die ZeOS NRW soll auf dem Dienstweg unter Berücksichtigung des Verfahrensumfangs eine Übertragung der Amtsverrichtungen auf eine andere Staatsanwaltschaft anregen, wenn dort mit Blick auf gleichartige Kriminalitätsphänomene oder Verfahrensgegenstände

  • eine besondere Expertise namentlich aufgrund einer Vorbefassung vorhanden ist oder
  • ein örtlicher Schwerpunkt liegt.

Sofern ein besonderer Verfahrensumfang aus Ressourcengründen eine Übertragung der Amtsverrichtungen nicht erlaubt, ist ein Wissens- und Erfahrungsaustausch sicherzustellen.

 

Im Fall eines Ersuchens um Verfahrensabgabe oder einer Übertragung der Amtsverrichtungen stellt die ZeOS NRW zuvor durch frühzeitige Kontaktaufnahme und Vermittlung des Sach- und Verfahrensstandes eine effektive Fortführung des Verfahrens sicher, ohne dabei die Entscheidung auf dem Dienstweg über die Abgabe und Übernahme bzw. die Zuweisung des Verfahrens vorweg zu nehmen.

 

4.1.4

Liegt einer Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen ein Verfahren der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität vor, welches nach ihrer Ansicht in die Zuständigkeit der ZeOS NRW im Sinne von Nummer 4.1.1 dieser AV fällt, kann sie das Verfahren nach vorheriger Kontaktaufnahme mit der ZeOS NRW unmittelbar dieser mit der Bitte um Übernahme vorlegen. Liegen die Voraussetzungen für eine Übernahme nicht vor, gibt die ZeOS NRW das Verfahren unter Ablehnung der Übernahme unverzüglich zurück oder leitet das Verfahren an die dann örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft zur Prüfung der Übernahme weiter.

 

Bei konkurrierenden Sonderzuständigkeiten ist Einvernehmen über die Zuständigkeit für die weitere Verfahrensbearbeitung herzustellen.

 

4.1.5

Verfahren nach Nummer 4.1.1 dieser AV, bei denen aufgrund der AV d. JM vom 15. März 2016 in der Fassung vom 29. August 2018 (4100 - III. 274) eine konkurrierende Zuständigkeit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) begründet ist, führt diese, soweit und solange die Verfolgung Organisierter Cyberkriminalität den Verfahrensschwerpunkt bildet. Anderenfalls obliegt die Verfahrensführung der ZeOS NRW. In jedem Fall, der die Aufgabenbereiche beider Zentralstellen berühren kann, wirken diese durch unverzügliche Kontaktaufnahme, vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die Einbringung der jeweiligen fachlichen Expertise auf eine zügige und sachgerechte Verfahrensbearbeitung hin.

 

4.1.6

Verfahren nach Nummer 4.1.1 dieser AV, bei denen aufgrund der AV d. JM vom 13. März 2018 (4021 – III. 53) eine konkurrierende Zuständigkeit der Zentralstelle Terrorismusverfolgung (ZenTer NRW) begründet ist, führt diese, soweit und solange die Verfolgung von Straftaten gemäß Nummer 3.1.2 der vorgenannten AV Verfahrensgegenstand ist. Anderenfalls obliegt die Verfahrensführung der ZeOS NRW. In jedem Fall, der die Aufgabenbereiche beider Zentralstellen berühren kann, wirken diese durch unverzügliche Kontaktaufnahme, vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die Einbringung der jeweiligen fachlichen Expertise auf eine zügige und sachgerechte Verfahrensbearbeitung hin.

 

4.1.7

Soweit nach den vorgenannten Bestimmungen eine Zuständigkeit der ZeOS NRW begründet ist, umfasst diese auch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die mit der zuständigkeitsbegründenden Tat eine Tat im prozessualen Sinne nach § 264 StPO bilden. Die Zentralstelle kann zudem die Bearbeitung von Straf- oder Bußgeldverfahren übernehmen, die mit der zuständigkeitsbegründenden Tat in einem Zusammenhang im Sinne von § 3 StPO stehen. Eine Abtrennung von Verfahren wegen Zusammenhangstaten und deren Abgabe oder Rückgabe an die nach § 143 Absatz 1 GVG örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ist der ZeOS NRW auf dem Dienstweg im gegenseitigen Einvernehmen jederzeit möglich.

 

Die Zuständigkeit der ZeOS NRW umfasst alle Verfahrensstadien und erstreckt sich auch auf Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende.

 

In den von ihr geführten Verfahren nimmt die ZeOS NRW die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde wahr (§ 143 Absatz 4 GVG, §§ 451 ff. StPO, §§ 46 und 91 OWiG), soweit nicht der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig ist.

 

4.1.8

Die ZeOS NRW kann die nach § 143 Absatz 1 GVG örtlich zuständige Staatsanwaltschaft um die Wahrnehmung einzelner Amtshandlungen bitten, wenn der voraussichtlich erforderliche Aufwand dadurch insgesamt wesentlich geringer wird oder die größere Ortsnähe es angebracht erscheinen lässt. Dies gilt auch für die Wahrnehmung des Sitzungsdienstes insbesondere in Verfahren, in denen Anklage zum Strafrichter, Jugendrichter oder Jugendschöffengericht erhoben wird oder die Erledigung im Strafbefehlswege erfolgt ist, der Angeklagte jedoch Einspruch eingelegt hat. Der Sitzungsdienst in Verfahren, die vor einer großen Strafkammer des Landgerichts geführt werden, obliegt grundsätzlich der ZeOS NRW.

 

4.1.9

Die vorstehenden Regelungen gelten nicht für Ermittlungsverfahren, mit denen die nach § 143 Absatz 1 GVG zuständige Staatsanwaltschaft vor dem Tag des Inkrafttretens dieser AV befasst war. Eine Abgabe dieser Verfahren an die ZeOS NRW kommt nur im Ausnahmefall, insbesondere wenn noch keine konkreten (insbesondere verdeckten) Ermittlungsmaßnahmen ergriffen wurden, in Betracht. Die Möglichkeit einer darüber hinausgehenden Einzelzuweisung nach §§ 147 Nummer 2, 145 Absatz 1 GVG bleibt unberührt.

 

4.2

Die ZeOS NRW als Ansprechstelle

 

4.2.1

Die ZeOS NRW ist zentrale Ansprechstelle für grundsätzliche, verfahrensunabhängige Fragestellungen aus dem Bereich der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität, der Vermögensabschöpfung und Finanzermittlungen sowie der Geldwäsche für Gerichte, Staatsanwaltschaften, die ressortübergreifende Task Force zur Bekämpfung der Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung – soweit nicht Fragen aus dem Bereich der Terrorismusfinanzierung aufgeworfen sind –, Polizeibehörden, Finanzbehörden sowie sonstige Behörden Nordrhein-Westfalens, anderer Länder und des Bundes. Die Zuständigkeiten der Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner der ressortübergreifenden Task Force zur Bekämpfung der Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung sowie der bei den Staatsanwaltschaften und dem jeweiligen Generalstaatsanwalt bzw. der jeweiligen Generalstaatsanwältin bestellten Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner/OK-Beauftragten sowie Koordinatorinnen bzw. Koordinatoren bleiben hiervon unberührt.

 

Ein besonderes Augenmerk legt die ZeOS NRW auf die erweiterten Möglichkeiten des reformierten Vermögensabschöpfungsrechts, insbesondere die selbständige erweiterte Einziehung von Vermögen. Ihr obliegt auch die Unterstützung der Staatsanwaltschaften des Landes bei der Bearbeitung von Rechtshilfeverfahren mit grenzüberschreitender Vermögensabschöpfung.

 

Die ZeOS NRW wirkt in entsprechenden fachlichen Gremien im In- und Ausland mit und stimmt sich mit anderen Zentralstellen und Einrichtungen der Justiz im In- und Ausland im Bereich der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität und Vermögensabschöpfung ab. Soweit Fragen von grundsätzlicher rechtspolitischer Bedeutung berührt sind, handelt sie in Abstimmung mit dem Ministerium der Justiz.

 

4.2.2

Die ZeOS NRW analysiert bestehende und neue Erscheinungsformen Organisierter (Wirtschafts-)Kriminalität sowie Methoden zur Verschleierung und Verschiebung inkriminierter Vermögenswerte. Sie trägt dazu bei, dass diese Kriminalitätsphänomene frühzeitig erkannt werden, und entwickelt verfahrensübergreifende einheitliche Standards und Strategien zu deren effizienter strafrechtlicher Bekämpfung. Sie kann im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und unter Berücksichtigung bereits geführter Statistiken statistische Daten über die Entwicklung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität in Nordrhein-Westfalen erheben.

 

Die ZeOS NRW bündelt staatsanwaltschaftliches Erfahrungswissen im Bereich der Verfolgung der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität und Vermögensabschöpfung und stellt hierzu einen Erfahrungsaustausch zwischen den Staatsanwaltschaften und den unter Nummer 3.1 dieser AV bestimmten Schwerpunktstaatsanwaltschaften sicher.

 

4.2.3

Die ZeOS NRW soll andere Staatsanwaltschaften sowie die Gerichte in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Verfolgung der Organisierten (Wirtschafts-)Kriminalität und der Vermögensabschöpfung beratend unterstützen. Sie kann im Einvernehmen Absprachen zur Förderung von Ermittlungsverfahren, insbesondere zur nachhaltigen Bearbeitung von Struktur- und Sammelverfahren vermitteln.

 

4.2.4

Die ZeOS NRW unterstützt die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen bei der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen durch Koordinierung der Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen und der Erarbeitung von gemeinsamen Strategien.

 

4.3

Mitwirkung der ZeOS NRW bei Aus- und Fortbildungsmaßnahmen

Die ZeOS NRW bringt ihre Erkenntnisse und die Erfahrungen aus ihrer Ermittlungspraxis in die Aus- und Fortbildung der Justiz in den Bereichen der Verfolgung Organisierter Kriminalität und der Vermögensabschöpfung ein und unterstützt diese durch geeignete Beiträge.

 

4.4

Zusammenarbeit mit den Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung

Die ZeOS NRW nimmt die ihr in Nummern 4.2 und 4.3 dieser AV übertragenen Aufgaben in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den unter Nummer 3.1 dieser AV bezeichneten Schwerpunktstaatsanwaltschaften wahr.

 

4.5

Leitung der ZeOS NRW

Die Leitende Oberstaatsanwältin oder der Leitende Oberstaatsanwalt in Düsseldorf bestellt im Wege der Organisationsentscheidung die Leiterin oder den Leiter der ZeOS NRW im Einvernehmen mit der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt in Düsseldorf.

 

4.6

Berichtspflicht

Die ZeOS NRW berichtet dem Ministerium der Justiz jährlich auf dem Dienstweg über ihre Erfahrungen. Sie bittet vorab die unter Nummer 3.1 dieser AV bezeichneten Schwerpunkte über die Generalstaatsanwältin oder den Generalstaatsanwalt in Düsseldorf und die Generalstaatsanwältin oder Generalstaatsanwalt in Hamm und Köln um einen Beitrag zu den dortigen Erfahrungen. Eine Abschrift des Berichts ist der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt in Hamm und der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt in Köln zuzuleiten.

 

5.

Schlussbestimmungen

Die Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität vom 13. November 1990 (Gem. RdErl. d. Justizministeriums (4201 - III A.9), d. Innenministeriums (IV A 2 - 2700/2967), d. Finanzministeriums (IN 0991 - 6 - I A 3), d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (III C 5 - 1010.3), d. Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie (134 - 42 - 0.4), d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (l A 4 - 98.21.01), d. Ministeriums für Bauen und Wohnen (III A 3 - 0 - 1432 - 30) u. d. Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr (ZA 3 0201/Z A 5 3947) bleiben unberührt.

 

Diese AV tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Zugleich tritt die AV des Justizministeriums vom 24. Januar 2017 (4000 - III. 155) in der Fassung vom 22. Januar 2019 außer Kraft.