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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

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Einrichtung einer Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime
für Nordrhein-Westfalen
- ZAC NRW -
AV d. JM vom 15.03.2016
in der Fassung vom 17.12.2021
(4100 - III. 274)
- JMBl. NRW S. 71 -

 

1.

Grundsätzliches

Ganze Bereiche des Wirtschafts- und Privatlebens verlagern sich zunehmend in das Internet oder werden maßgeblich durch netzbasierte Vorgänge beeinflusst. Die Kriminalität folgt diesem Trend. Moderne Informations- und Kommunikationstechniken werden umfassend zur Begehung von Straftaten genutzt. Cybercrime im engeren Sinne als Umschreibung der Taten gegen das Internet, sonstige IT-Datennetze und Systeme sowie deren Daten ist ein in ständiger Fortentwicklung befindliches Kriminalitätsfeld mit immer neuen technischen Herausforderungen für die Strafverfolgungsbehörden. Daneben wird das Internet immer mehr als Tatmittel genutzt; bekannte Kriminalitätsphänomene bekommen in Gestalt des Cybercrime im weiteren Sinne über die Verbreitung im Netz eine neue Dynamik.

 

Den Staatsanwaltschaften obliegt es in derartigen Verfahren, hochkomplexe technische Sachverhalte unter materiell-strafrechtliche und strafprozessuale Vorschriften zu subsumieren. Besondere Massenkriminalitätsphänomene im Cyberraum verlangen außerdem schnelle, standardisierte Wege, um Ermittlungen zielgerichtet und effektiv anzustoßen bzw. zu führen. Um dabei die Sachleitungsbefugnis im Rahmen der Strafprozessordnung kompetent wahrzunehmen, gilt es, sowohl in einzelnen Verfahren als auch verfahrensübergreifend mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten und zugleich eng und vertrauensvoll mit den im Bereich der IT-Kriminalität spezialisierten Polizeidienststellen zusammenzuarbeiten. Nur so lassen sich auch zeitnah neuartige, IT-gestützte Ermittlungsmethoden entwickeln.

 

Darüber hinaus ist es geboten, national wie international den Kontakt mit Behörden, der Wirtschaft und der Wissenschaft zu pflegen, um neue Entwicklungen zeitnah zu erkennen, das große Dunkelfeld im Bereich der Cyberkriminalität aufzuhellen und die so gewonnenen Erkenntnisse in praxisnahe Fortbildungskonzepte umzusetzen.

 

2.

Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW)

Bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln und der Staatsanwaltschaft Köln wird die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen – ZAC NRW – ein-gerichtet.

 

Ihre Aufgaben werden in operativen Einzelsachen mit Ausnahme der generalstaatsanwaltschaftlichen Dienst- und Fachaufsicht von der Staatsanwaltschaft Köln wahrgenommen. Die übrigen Aufgaben der Zentral- und Ansprechstelle erfüllt die Generalstaatsanwaltschaft Köln.

 

3.

Aufgaben der ZAC NRW als Zentralstelle

Der ZAC NRW obliegen verfahrensbezogene Aufgaben im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung des Cybercrime im engeren (Nummer 3.1) und im weiteren Sinne (Nummer 3.2).

 

3.1

Cybercrime im engeren Sinne

Die ZAC NRW führt die Verfahren von herausgehobener Bedeutung bei Straftaten des Cybercrime im engeren Sinne aus den Bezirken der Generalstaatsanwaltschaften Düsseldorf, Hamm und Köln nach folgenden Maßgaben.

 

3.1.1

Cybercrime im engeren Sinne umfasst insbesondere Straftaten gemäß §§ 152c, 202a - 202d, 263a, 269, 270, 274 Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2, 303a, 303b StGB und § 108a UrhG sowie, soweit das Internet als Tatmittel eingesetzt wurde, Straftaten nach bundes- oder landesrechtlichen Datenschutzvorschriften.

 

3.1.2

Indikatoren, die einzeln oder in unterschiedlicher Verknüpfung Anlass geben können, einem Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität „herausgehobene Bedeutung“ beizumessen, sind:

 

- die Tatbegehung mit herausgehobenen informationstechnischen Mitteln;

- die Tatbegehung aus dem Bereich der organisierten oder schwerwiegenden grenzüberschreitenden Cyber- und Darknetkriminalität;

- die besondere Organisation der Tatverdächtigen in sogenannten „Hackerkollektiven“;

- Auswirkungen auf bedeutende Wirtschaftszweige, Angriffe auf zentrale IT-Strukturen der Finanzwirtschaft, der Energie- und Wasserversorgung, der technischen Infrastruktur sowie der Gesundheitsfürsorge (Kritische Infrastrukturen);

- Angriffe auf Geschäftsgeheimnisse von gesellschaftlich wesentlicher Bedeutung;

- Angriffe auf die IT-Struktur von Behörden oder anderen öffentlichen Einrichtungen von erheblichem Gewicht;

- Angriffe auf Computer- und Informationstechnik durch neuartige oder mit hohem Gefährdungspotential verbundene Begehungsweisen;

- hoher technischer Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik, auch unter Einsatz neuartiger Ermittlungsmethoden.

 

3.2

Cybercrime im weiteren Sinne

Die ZAC NRW führt landesweit die Verfahren wegen Straftaten des Cybercrime im weiteren Sinne nach folgenden Maßgaben:

 

3.2.1

Besondere Kriminalitätsphänomene

Die ZAC NRW ist zuständig für die Verfahren wegen besonderer Kriminalitätsphänomene im Cyberraum aus dem Bezirk der Staatsanwaltschaft Köln und aus anderen Bezirken, wenn sie ihr von der Generalstaatsanwältin bzw. dem Generalstaatsanwalt in Köln gemäß § 145 Absatz 1 GVG oder vom Ministerium der Justiz gemäß §§ 147 Nummer 2, 145 Absatz 1 GVG übertragen werden und soweit in Nummern 3.2.2 und 3.2.3 nichts Abweichendes bestimmt ist.

 

Ein besonderes Kriminalitätsphänomen im Cyberraum liegt insbesondere dann vor, wenn es landesweit in einer herausgehobenen Anzahl von Fällen auftritt oder dies zu erwarten ist, die sachgerechte Bearbeitung des Verfahrens die technische Kompetenz der ZAC NRW erfordert und bei der Zentralstelle gebündelte, unter anderem IT-standardisierte Erhebungen und Auswertungen digitaler Spuren und Beweismittel die sachdienliche Verfahrensbearbeitung und schnelle Erledigung fördern. Ein besonderes Kriminalitätsphänomen im Cyberraum kann auch dann vorliegen, wenn im Einzelfall eine Straftat mit so herausragenden informationstechnischen Mitteln verübt worden ist, dass eine Verfahrensführung durch die ZAC NRW im Hinblick auf deren technische Kompetenz geboten erscheint.

 

Zu den besonderen Kriminalitätsphänomenen in diesem Sinne zählen politisch motivierte Hasskriminalität (Nummer 3.2.2) und internet-konnexe Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen (Nummer 3.2.3).

 

3.2.2

Politisch motivierte Hasskriminalität im Internet

Die ZAC NRW führt die Ermittlungen in Verfahren wegen Straftaten der politisch motivierten Hasskriminalität im Internet, denen eine herausgehobene Bedeutung zukommt.

 

3.2.2.1

Politisch motivierte Hasskriminalität im Internet umfasst insbesondere Straftaten gemäß §§ 86, 86a, 90 - 90c, 126, 130, 131, 140, 166 und 188 StGB.

 

3.2.2.2

Indikatoren, die einzeln oder in unterschiedlicher Verknüpfung Anlass geben können, einem Ermittlungsverfahren im Bereich der politisch motivierten Hasskriminalität im Internet herausgehobene Bedeutung beizumessen, sind:

 

- Verfahrensgenese aus eigener generalpräventiver, von der Zustimmung des Ministeriums der Justiz getragener Projektarbeit, beispielsweise resultierend aus dem Projekt „Verfolgen statt nur Löschen – Rechtsdurchsetzung im Internet“;

- in herausgehobenem Maße demokratiegefährdende Verbreitung unter Einsatz sozialer Medien mit besonderer Reichweite, namentlich weil sich die Äußerung gegen Mandats- oder Amtsträger bzw. -trägerinnen oder in anderer Weise durch besonderes gesellschaftliches Engagement profilierte Personen richtet;

- Verfahrensgenese aus Meldungen des Bundesamtes für Justiz im Zusammen-hang mit dem NetzDG.

 

3.2.3

Internet-konnexe Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen

Der ZAC NRW obliegen verfahrensbezogene Aufgaben wegen internet-konnexer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit

 

- UJs-Mantelverfahren (Nummer 3.2.3.1) und

- Meldungen zur Verbreitung kinderpornographischer Inhalte im Netz (Nummer 3.2.3.2)

 

nach folgenden Maßgaben:

 

3.2.3.1

Die ZAC NRW führt in Bezug auf internet-konnexe Straftaten aus dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen sogenannte UJs-Mantelverfahren. UJs-Mantelverfahren sind Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt zur Auswertung einer Vielzahl gebündelter digitaler Spuren mit dem Ziel der Identifizierung beschuldigter Personen.

Nach Identifizierung einer tatverdächtigen Person gibt die Zentralstelle das Verfahren regelmäßig an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ab, soweit der Sachverhalt nicht die Fortführung der Ermittlungen aufgrund besonderer Umstände der Tat (etwa akuter Gefahrenüberhang oder spezifisch technisches Tatgepräge) oder tatverdächtigen Person (etwa deren Rolle in einem in anderen Verfahren der ZAC NRW verfahrensgegenständlichen Organisationsgeflecht) bis zum Erreichen einer konsolidierten Beweislage gebietet. Eine konsolidierte Beweislage ist regelmäßig nach Durchführung der zur Sicherung volatiler Beweismittel erforderlichen strafprozessualen Maßnahmen erreicht.

 

Im Einzelfall kann die ZAC NRW die Ermittlungen in diesem Deliktsbereich auch über die konsolidierte Beweislage hinaus fortführen, wenn nach ihrer Bewertung einzeln oder in unterschiedlicher Verknüpfung folgende Indikatoren Anlass dazu geben:

 

- hoher täterseitiger Organisationsgrad durch strukturell vernetzte und inkriminierte Kommunikationsbeziehungen im Internet;

- hoher technischer Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik, auch unter Einsatz neuartiger Ermittlungsmethoden;

- Verfahrensgenese aus eigener generalpräventiver, von der Zustimmung des Ministeriums der Justiz getragener Projektarbeit.

 

3.2.3.2

Unbeschadet ihrer Zuständigkeit nach Nummer 3.2.3.1 obliegt der Zentralstelle die landesweite Verfahrensführung von aus der Meldepflicht nach § 3a Absatz 2 Nummer 3 b) NetzDG und aus Meldungen des National Centers for Missing and Exploited Children (NCMEC) sowie vergleichbarer Organisationen resultierenden Vorgängen.

 

Dies umfasst die Prüfung der Verfahren auf

 

- etwaige akute Gefahrüberhänge,

- Zusammenhänge zu bei der ZAC NRW anhängigen Verfahren und

- die örtliche staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit.

 

Bei unzweifelhaft fehlendem Anfangsverdacht lehnt sie die Aufnahme von Ermittlungen unmittelbar ab.

 

Im Übrigen gibt sie die Verfahren an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ab, soweit nicht im Einzelfall wegen eines akuten Gefahrüberhangs unmittelbare strafprozessuale Maßnahmen zu ergreifen sind.

 

In herausgehobenen Verfahren nach den Indikatoren aus Nummer 3.2.3.1 kann die ZAC NRW die Verfahren auch darüber hinaus fortführen.

 

3.3

Übertragung der Amtsverrichtungen

Der ZAC NRW werden nach § 143 Absatz 4 GVG die Amtsverrichtungen in den zu Nummern 3.1, 3.2.2 und 3.2.3 näher bezeichneten Strafsachen und die Bearbeitung von Rechtshilfeersuchen von Stellen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, soweit diesen eine der in 3.1. näher bezeichneten Straftaten zugrunde liegt, übertragen. Die Möglichkeit weiterer Übertragungen nach Nummer 3.2.1 und die Zuständigkeit der nach § 143 Absatz 1 GVG örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft bleiben unberührt.

 

3.4

Abgabe von Verfahren durch die ZAC NRW

Die ZAC NRW kann ihr nach Nummer 3.3 zugewiesene Verfahren gemäß Nummer 3.1, Nummer 3.2.1 oder Nummer 3.2.2 jederzeit an die örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Dies erfolgt in Verfahren nach Nummer 3.1 und nach Nummer 3.2.1, sofern das Verfahren einen Einzelfall der Tatbegehung mit herausgehobenen informationstechnischen Mitteln betrifft, über die Generalstaats-anwältin bzw. den Generalstaatsanwalt in Köln und die jeweilige Generalstaatsanwältin oder den jeweiligen Generalstaatsanwalt, in deren Bezirk die sachlich und örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Im Interesse einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung soll die ZAC NRW von dieser Befugnis nur zurückhaltend Gebrauch machen. Sie soll von einer Abgabe insbesondere dann absehen, wenn sie den Abschluss des Verfahrens ohne größeren Aufwand selbst herbeiführen kann. Die Möglichkeit der unmittelbaren Verfahrensabgabe an Staatsanwaltschaften außerhalb Nordrhein-Westfalens bleibt unberührt.

 

Verfahren nach Nummer 3.2.3 führt die ZAC NRW nur nach Maßgabe der dort getroffenen Regelungen.

 

Im Bedarfsfall stellt die ZAC NRW durch frühzeitige Kontaktaufnahme und Vermittlung des Sach- und Verfahrenstandes eine effektive Fortführung des Verfahrens sicher.

 

3.5

Vorlage von Verfahren an die ZAC NRW

Liegt einer Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen ein Verfahren entsprechend der Nummern 3.1 oder 3.2.2, welchem nach ihrer Ansicht herausgehobene Bedeutung zukommt, oder ein UJs-Mantelverfahren im Sinne von Nummer 3.2.3.1 vor, kann sie das Verfahren nach vorheriger Kontaktaufnahme mit der ZAC NRW unmittelbar an diese mit der Bitte um Übernahme vorlegen. Liegen die Voraussetzungen für eine Übernahme nicht oder nicht mehr vor, gibt die ZAC NRW das Verfahren unter Ablehnung der Übernahme unverzüglich zurück oder leitet das Verfahren an die dann örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft weiter. Bei konkurrierenden Sonderzuständigkeiten ist Einvernehmen über die Zuständigkeit für die weitere Verfahrensbearbeitung herzustellen.

 

3.6

Zusammenarbeit mit anderen Zentralstellen

Verfahren nach Nummer 3.1.2 der AV d. JM vom 13.03.2018 zur Einrichtung einer Zentralstelle Terrorismusverfolgung Nordrhein-Westfalen - ZenTer NRW - (4021 - III. 53) und nach Nummer 4.1.1 der AV d. JM vom 31.08.2020 zur Einrichtung einer Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten in Nordrhein-Westfalen (ZeOS NRW) und von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für die Verfolgung Organisierter Kriminalität und für Vermögensabschöpfung (4201 - III. 9 Sdb. Schwerpunkte), bei denen eine konkurrierende Zuständigkeit der ZAC NRW begründet ist, führt diese, soweit und solange die Verfolgung von Cyberkriminalität den Verfahrensschwerpunkt bildet. Andernfalls obliegt die Verfahrensführung der ZenTer NRW bzw. der ZeOS NRW. In jedem Fall, der die Aufgabenbereiche mehrerer Zentralstellen berühren kann, wirken die beteiligten Stellen durch unverzügliche Kontaktaufnahme, vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die Einbringung der jeweiligen fachlichen Expertise auf eine zügige und sachgerechte Verfahrensbearbeitung hin.

 

3.7

Umfang der Übertragung

Soweit nach den vorgenannten Bestimmungen eine Zuständigkeit der ZAC NRW begründet ist, umfasst diese auch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die mit der zuständigkeitsbegründenden Tat eine Tat im prozessualen Sinne nach § 264 StPO bilden. Die Zentralstelle kann zudem die Bearbeitung von Straf- oder Bußgeldverfahren übernehmen, die mit der zuständigkeitsbegründenden Tat in einem Zusammenhang im Sinne von § 3 StPO stehen. Ferner kann die Zentralstelle Verfahren nach den §§ 30, 130 OWiG führen, sofern die zugrundeliegenden Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in ihre Zuständigkeit fallen. Eine Abtrennung von Verfahren wegen Zusammenhangstaten und deren Abgabe oder Rückgabe an die nach § 143 Absatz 1 GVG örtlich zuständige Staatsanwaltschaft ist der ZAC NRW jederzeit möglich.

 

Die Zuständigkeit der ZAC NRW umfasst alle Verfahrensstadien und erstreckt sich auch auf Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende. In den von ihr geführten Verfahren nimmt die ZAC NRW die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde wahr (§ 143 Absatz 4 GVG, §§ 451 ff. StPO, §§ 46 und 91 OWiG), soweit nicht der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig ist.

 

3.8

Virtuelle Währungen

Die ZAC NRW ist Zentralstelle für die Verwertung von virtuellen Währungen im Sinne von § 77a Absatz 2 StVollstrO. Sie übernimmt auf Ersuchen einer Staatsanwaltschaft des Landes auch die Verwertung im Rahmen der Notveräußerung im Ermittlungsverfahren.

 

4.

Aufgaben der ZAC NRW als Ansprechstelle

Als landesweite Ansprechstelle kommen der ZAC NRW die folgenden Aufgaben zu.

 

4.1

Grundsätzliche Fragestellungen

Die ZAC NRW ist zentrale Ansprechstelle für grundsätzliche, verfahrensunabhängige Fragestellungen aus dem Bereich des Cybercrime im engeren Sinne und im weiteren Sinne im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach Nummer 3.2 für Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden sowie sonstige Behörden Nordrhein-Westfalens, an-derer Länder, des Bundes und anderer Staaten.

 

Sie unterstützt im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Bundeskriminalamt bei dessen Wahrnehmung der Aufgaben nach § 3a Absatz 2 Nummer 3 a) NetzDG in Verbindung mit § 2 BKAG.

 

Sie wirkt in entsprechenden fachlichen Gremien im In- und Ausland mit und stimmt sich mit anderen Zentralstellen und Einrichtungen im In- und Ausland im Bereich ihrer Zuständigkeit ab.

 

Soweit Fragen von grundsätzlicher rechtspolitischer Bedeutung berührt sind, handelt sie in Abstimmung mit dem Ministerium der Justiz.

 

Soweit grundsätzliche Fragen betreffend die in Nr. 223 RiStBV bezeichneten Straf-taten und Ordnungswidrigkeiten berührt sind, handelt sie in Abstimmung mit der Zentralstelle des Landes Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung gewaltverherrlichender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften.

 

4.2

Kontaktstelle

Die ZAC NRW steht als Kontaktstelle für die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Wirtschaft zur Verfügung, soweit dies mit ihrer Aufgabe als Strafverfolgungsbehörde vereinbar ist. Sie greift aktuelle Entwicklungen und Themen in Wissenschaft und Wirtschaft auf und bringt diese in die Praxis der Strafverfolgung ein.

 

4.3

Forschung

Die ZAC NRW kann im Zusammenwirken mit nationalen und internationalen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft relevante und rechtliche Fragestellungen in Forschungsprojekten mit dem Ziel der (Fort-)Entwicklung praxisrelevanter Methoden und Techniken aufgreifen.

 

4.4

Beratungs- und Vermittlungstätigkeit

Die ZAC NRW soll andere Staatsanwaltschaften sowie die Gerichte in Nordrhein-Westfalen insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Cyberkriminalität beratend unterstützen. Sie kann Absprachen zur Förderung von Ermittlungsverfahren, insbesondere zur nachhaltigen Bearbeitung von Struktur- und Sammelverfahren vermitteln.

 

4.5

Analysetätigkeit und Standardentwicklung

Die ZAC NRW analysiert fortlaufend tatsächliche, rechtliche und technische Entwicklungen, um aktuelle Phänomene der Cyberkriminalität im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach Nummer 3.1 und 3.2 frühzeitig zu erkennen und einheitliche Standards und Strategien zu deren effizienter strafrechtlicher Bekämpfung zu entwickeln.

 

Soweit grundsätzliche Fragen betreffend die in Nr. 223 RiStBV bezeichneten Straf-taten und Ordnungswidrigkeiten berührt sind, handelt sie in Abstimmung mit der Zentralstelle des Landes Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung gewaltverherrlichender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften.

 

4.6

Mitwirkung bei Aus- und Fortbildung

Die ZAC NRW bringt ihre Erkenntnisse und Erfahrungen aus ihrer Ermittlungspraxis in die Aus- und Fortbildung der Justiz ein und unterstützt diese durch geeignete Beiträge. Soweit dies mit ihren Aufgaben als Strafverfolgungsbehörde vereinbar ist, beteiligt sich die ZAC NRW an Bildungsangeboten der Wissenschaft und Wirtschaft und unterstützt diese auf Grundlage der in ihrer Ermittlungspraxis gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen.

 

4.7

Hospitationen

Die ZAC NRW ermöglicht interessierten Dezernentinnen und Dezernenten nordrhein-westfälischer Staatsanwaltschaften Hospitationen und fördert so die Grundqualifizierung zur Bearbeitung von Verfahren im Bereich der Cyberkriminalität in ganz Nordrhein-Westfalen. Sie kann darüber hinaus Hospitationen auch für andere nationale oder internationale Strafverfolgungsbehörden und für geeignete Vertreter von Institutionen oder Verbänden durchführen, soweit dies mit ihren Aufgaben als Strafverfolgungsbehörde vereinbar ist.

 

5.

Leitung der ZAC NRW

Die Leitung der ZAC NRW ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln angesiedelt. Den Leiter oder die Leiterin der ZAC NRW bestellt die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt in Köln.

 

6.

Berichtspflicht

Die ZAC NRW berichtet dem Ministerium der Justiz jährlich auf dem Dienstweg über ihre Erfahrungen. Eine Abschrift des Berichts ist der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt in Hamm und der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt in Düsseldorf zuzuleiten.

 

7.

Schlussbestimmung

Diese AV tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.