Justizverwaltungsvorschriften
Richtlinien zur dienstlichen Beurteilung der Notarassessorinnen und Notarassessoren im Land Nordrhein-Westfalen
AV d. JM v. 5. September 2024 (3834 – Z. 21)
- JMBl. NRW S. 901 -
Aufgrund von § 6 Absatz 8 der Verordnung zur Regelung von Angelegenheiten auf dem Gebiet des Notarwesens im Land Nordrhein-Westfalen werden nach Anhörung des Präsidenten der Rheinischen Notarkammer folgende Richtlinien zur dienstlichen Beurteilung der Notarassessorinnen und Notarassessoren im Land Nordrhein-Westfalen erlassen:
1
Grundsätze
1.1
Die Beurteilungen dienen der Bewertung der persönlichen und fachlichen Eignung der Notarassessorinnen und Notarassessoren, nach der sich bei der Entscheidung über die Besetzung einer Notarstelle die Reihenfolge bei der Auswahl richtet, vgl. § 6 Absatz 1 Satz 1 Bundesnotarordnung. Die Beurteilungen geben dabei Auskunft über die bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Eignung, Befähigung und Leistungen gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Bundesnotarordnung. Die Erstellung von Beurteilungsbeiträgen, die wesentliche Erkenntnisgrundlagen für die Beurteilungen sind, ist hieran auszurichten.
1.2
Die Notarassessorinnen und Notarassessoren sind nach Maßgabe des § 6 Absatz 1 Notarverordnung NRW zu beurteilen. Beurteilungsbeiträge werden nach Maßgabe des § 6 Absatz 3 Notarverordnung NRW vorgelegt. Bei der Beurteilung sind auch sonstige beurteilungsrelevante Umstände zu berücksichtigen, von denen die Rheinische Notarkammer (unter anderem in Bezug auf wahrgenommene Vertretungsaufgaben sowie etwaige begründete Beschwerde- und Disziplinarverfahren) Kenntnis erlangt.
1.3
Aufgrund der sorgfältigen Auswahl und der hohen Qualifikation der Notarassessorinnen und Notarassessoren ist typischerweise von einem mit zunehmendem Dienstalter steigenden, jedoch in Anbetracht des jeweiligen Dienstalters und des jeweiligen Ausbildungsstands vergleichbaren Leistungsstand der Notarassessorinnen und Notarassessoren auszugehen. Maßstab bei der Beurteilung ist daher, ob die Notarassessoren den hohen Anforderungen, die an sie entsprechend ihres Dienstalters und Ausbildungsstands typischerweise gestellt werden (typische Leistungsentwicklung), gerecht werden. Dabei ist in der Regel davon auszugehen, dass Notarassessorinnen und Notarassessoren nach Ableistung des dreijährigen Regelanwärterdienstes einen erheblich über den durchschnittlichen Anforderungen liegenden Leistungsstand im Sinne des § 17 Absatz 1 Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen erreicht haben.
1.4
Bei der Beurteilung wird eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit wie eine Vollzeitbeschäftigung behandelt. Während Zeiten im Sinne des § 12 Absatz 5 Nummer 2 Notarverordnung NRW, für die die §§ 3, 6 Mutterschutzgesetz ein Beschäftigungsverbot vorsehen, wird die typische Leistungsentwicklung nachgezeichnet. Während Zeiten der Beurlaubung nach § 12 Absatz 5 Nummer 3 Notarverordnung NRW wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit, Pflegezeit und Familienpflegezeit wird die typische Leistungsentwicklung für die Dauer von höchstens zwei Jahren nachgezeichnet.
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Inhalt der Beurteilungen und Beurteilungsbeiträge
2.1
Die Beurteilungen und Beurteilungsbeiträge sollen sich zu den Rechtskenntnissen sowie zur Gestaltung von Urkunden und Entwürfen durch die Notarassessorinnen und Notarassessoren sowie zu ihrem Amtsverständnis, ihrer Verfahrensführung und ihrem Umgang mit der rechtsuchenden Bevölkerung, ihrer Arbeitsorganisation und Mitarbeiterführung, ihrer Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit sowie ihrer Innovationsbereitschaft, Flexibilität und Verwendungsbreite verhalten. Diese Anforderungen werden durch die nachfolgenden Ausformungen beispielhaft erläutert.
2.1.1
Rechtskenntnisse
– verfügt über breit gefächerte Rechtskenntnisse im Allgemeinen, Kenntnisse des Berufs- und Beurkundungsverfahrensrechts, der notarrelevanten materiellen Rechtsgebiete, insbesondere des Grundstücks-, Gesellschafts-, Erb- und Familienrechts, sowie des zugehörigen Verfahrensrechts nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie der Grundbuchordnung im Besonderen sowie die Fähigkeit zu ihrer praxisgerechten Anwendung;
– beherrscht die juristische Methodenlehre;
– kann selbständig neue Rechtsgebiete erschließen;
– kann Sachverhalte schnell erfassen und Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden;
– arbeitet strukturiert und gründlich unter Auswertung von Rechtsprechung und Literatur; kann analytisch denken;
– besitzt gutes Urteilsvermögen und Judiz;
– hat Verständnis für wirtschaftliche und technische Zusammenhänge;
– verfügt über eine gute Allgemeinbildung und ist tagespolitisch informiert; verfügt über Menschenkenntnis und Lebenserfahrung.
2.1.2
Gestaltung von Urkunden und Entwürfen
– formuliert klar und verständlich;
– klärt den Sachverhalt vollständig auf und ermittelt den Willen der Beteiligten zutreffend;
– bildet auch komplexe Lebenssachverhalte in verständlichen und übersichtlichen Regelungen ab;
– erarbeitet individuelle und konkrete Gestaltungsvorschläge;
– vermeidet rechtstheoretische und wissenschaftliche Überfrachtung; Urkundsentwürfe und sonstige Arbeitsergebnisse sind praktisch verwendbar; trifft die für die Gestaltung notwendigen Entscheidungen zügig und eigenverantwortlich; scheut sich nicht vor notwendigen Auseinandersetzungen.
2.1.3
Amtsverständnis
– ist sich der gesellschaftlichen Verantwortung des Notaramts sowie der gesellschaftlichen Stellung des Notars bewusst;
– übernimmt Verantwortung auch gegenüber dem Berufsstand und seiner Fortentwicklung;
– arbeitet sorgfältig und gewissenhaft im Sinn des §§ 14 Absatz 1, 13 Absatz 1 Satz 1 Bundesordnung und ist zuverlässig, pflicht- und verantwortungsbewusst;
– ist bereit und in der Lage, wie in §§ 1, 14 Absatz 1 Satz 2 Bundesnotarordnung vorausgesetzt, das Amt des Notars unabhängig und unparteilich sowie redlich und lauter im Sinne des § 14 Absatz 2, Absatz 3 Bundesnotarordnung auszuüben;
– ist sich der Bedeutung der Vorschriften zum Schutz bestimmter Urkundsbeteiligter, insbesondere § 17 Absatz 2a Beurkundungsgesetz, bewusst und achtet auf deren Einhaltung;
– am verschwiegenen Umgang mit bei der Amtsausübung bekannt gewordenen Tatsachen nach § 18 Bundesnotarordnung bestehen keine Zweifel;
– ist bereit, die Beschränkungen, die sich aus dem öffentlichen Amt ergeben hinzunehmen, zum Beispiel mit Blick auf die Zuweisung von Amtssitz und Amtsbereich nach §§ 10 Absatz 2 Satz 2; Absatz 3; 10a Absatz 2 Bundesnotarordnung und die Pflicht zur persönlichen Amtsausübung gemäß § 67 Absatz 2 Satz 3 Nummer 4 Bundesnotarordnung sowie die Beschränkungen von Berufsverbindungen nach § 9 Bundesnotarordnung und Werbung gemäß § 29 Bundesnotarordnung;
– zeigt ein Verhalten, das der Berufswürde entspricht und bietet die Gewähr dafür, dass das Verhalten innerhalb und außerhalb des Amtes der Achtung und dem Vertrauen, das dem notariellen Amt entgegengebracht wird, würdig ist;
– zeigt eine deutlich erkennbare Bereitschaft zur Mäßigung und Zurückhaltung;
– ist kollegial und tritt Notaren, anderen Notarassessoren, Gerichten, Behörden und Rechtsanwälten gegenüber in einer dem Amt entsprechenden Weise auf;
– beachtet die Vorgaben und Weisungen der Notarkammer und der Justizverwaltung und wendet sich in Zweifelsfragen zur Abstimmung an diese; kommt seinen Verpflichtungen gegenüber Notarkammer und Justizverwaltung ordnungsgemäß und rechtzeitig nach.
2.1.4
Verfahrensführung und Umgang mit der rechtsuchenden Bevölkerung
– ist sich der Bedeutung der Beratungs- und Belehrungsfunktion des Notars nach § 17 Beurkundungsgesetz bewusst und beachtet diese bei der Amtsführung;
– ist in der Lage, sich auf die unterschiedlichen Rechtsuchenden einzustellen;
– zeigt dabei Freude am Umgang mit Menschen sowie die Fähigkeit, schwierige rechtliche Zusammenhänge in einfacher und verständlicher Form darzulegen;
– ist bereit, ausgleichend zwischen den Beteiligten zu vermitteln;
– verfügt über Reaktions- und Einfühlungsvermögen;
– zeigt Grenzen auf;
– nimmt Rücksicht auf persönliche Fähigkeiten und Schwächen;
– schafft eine konstruktive und vertrauensvolle Atmosphäre;
– tritt sicher und höflich auf; ist besonnen und bewahrt die Ruhe.
2.1.5
Arbeitsorganisation und Mitarbeiterführung
– ist in der Lage, Arbeitsabläufe eigenverantwortlich und zeitgerecht zu organisieren;
– setzt Prioritäten;
– arbeitet eigenständig und zielorientiert;
– gestaltet Arbeitsabläufe effektiv und optimiert sie; setzt den eigenen Arbeitsplan Schritt für Schritt um;
– kann sich selbst und andere motivieren;
– nimmt Rücksicht auf die Organisation und die Arbeitsabläufe im Notariat;
– gibt Mitarbeitenden verständliche Rückmeldung über Arbeitsergebnisse; stellt ein positives Arbeitsklima her; weiß die Mitarbeitenden zu motivieren;
– gibt klare Anweisungen;
– ist sich der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden bewusst und ist aufgeschlossen für ihre Belange;
– erkennt Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden und berücksichtigt sie;
– zieht in sachgerechtem und angemessenem Umfang Mitarbeitende bei der Erfüllung seiner Aufgaben hinzu und beachtet dabei ihre Fähigkeiten, Neigungen, Eignung und Belastung; überwacht die Tätigkeit der Mitarbeitenden und gibt rechtzeitig erforderliche korrigierende Hinweise;
– verhält sich den Mitarbeitenden gegenüber sachlich und fair; erkennt und berücksichtigt leistungs- und verhaltensbeeinflussende Faktoren.
2.1.6
Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit
– zeigt ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft (insbesondere auch bei der Übernahme von Vertretungsaufgaben und Notariatsverwaltungen);
– ist psychisch und physisch belastbar;
– ist zur Übernahme zusätzlicher Aufgaben bereit;
– arbeitet trotz Leistungsdrucks schnell und konzentriert; hält Qualitätsstandards bei Mehrarbeit; hält Druck Stand und bewahrt Ruhe;
– ergreift Initiative;
– bringt die notwendige örtliche Flexibilität auf; es bestehen keine Zweifel an der Bereitschaft, sich nach Ableistung des Regelanwärterdienstes auf jede freiwerdende Notarstelle zu bewerben.
2.1.7
Innovationsbereitschaft, Flexibilität und Verwendungsbreite
– ist aufgeschlossen gegenüber neuen Arbeitstechniken und -methoden sowie offen für die Modernisierung und Digitalisierung des Notariats und der vorsorgenden Rechtspflege;
– nimmt neue Erfahrungen auf und entwickelt neue Ideen und Lösungen;
– reagiert auf Situationsveränderungen;
– ist offen für Neuerungen;
– ist breit verwendbar und bereit, sich für die Fortentwicklung des Berufsstands einzusetzen und sich dazu auch an Standesorganisationen oder deren Einrichtungen oder an Gerichte und Behörden abordnen zu lassen;
– verfügt über IT-Kenntnisse und ist bereit, sich neue Kenntnisse weiter anzueignen; setzt digitale Technologien im Arbeitsalltag ein.
2.2
Die Erstellung der Beurteilungsbeiträge durch die Notarinnen und Notare erfolgt unter Verwendung des Vordrucks in der Anlage 1.
3
Bewertung
3.1
Die Merkmale nach Nummern 2.1.1 bis 2.1.7 sind in der Beurteilung jeweils eigenständig mit einer Note und einer Punktzahl nach § 17 Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen zu bewerten. Hieraus ist das Gesamturteil zu bilden. Die Merkmale sind dabei gleich zu gewichten.
3.2
Die Erstellung der Beurteilungen erfolgt unter Verwendung des Vordrucks in der Anlage 2.
4
Zwischenzeitliche Äußerungen über den Leistungsstand
4.1
Da die Notarassessorinnen und Notarassessoren grundsätzlich gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Notarverordnung NRW erstmals nach Ableistung des dreijährigen Regelanwärterdienstes zu beurteilen sind, sind sie zuvor nach Maßgabe des § 6 Absatz 2 Notarverordnung NRW über ihren Leistungsstand in Kenntnis zu setzen. Danach äußert sich die Notarin oder der Notar, der oder dem die Notarassessorin oder der Notarassessor zur Ausbildung zugewiesen ist, nach Vollendung des ersten Ausbildungshalbjahres sowie des ersten Ausbildungsjahres gegenüber der Rheinischen Notarkammer dazu, ob die Notarassessorin oder der Notarassessor auf der Grundlage des derzeitigen Leistungsstands nach Ableistung des dreijährigen Regelanwärterdienstes voraussichtlich für das Amt der Notarin oder des Notars geeignet sein wird. Die Prognose, ob die Notarassessorin oder der Notarassessor voraussichtlich für das Amt der Notarin oder des Notars geeignet sein wird, ist an den vorstehenden Vorgaben in den Nummern 1 bis 3 auszurichten. Für die Äußerung gegenüber der Rheinischen Notarkammer ist der Vordruck in der Anlage 3 zu verwenden. Die Rheinische Notarkammer gibt die Äußerungen über die voraussichtliche Eignung der Notarassessorin oder dem Notarassessor unverzüglich bekannt, sobald sie ihr vorgelegt wurde.
4.2
Die Rheinische Notarkammer bietet der Notarassessorin oder dem Notarassessor während des dreijährigen Regelanwärterdienstes ein kollegiales Gespräch an, in dem auch der derzeitige Leistungsstand erörtert werden soll. Das Gespräch sollte möglichst in der zweiten Hälfte des Regelanwärterdienstes angeboten werden.
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Inkrafttreten
Diese AV tritt am 1. Januar 2025 in Kraft.