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Justizverwaltungs­vorschriften-Online

Eine Datenbank der Justiz Nordrhein-Westfalen
Die Justizverwaltungsvorschriften in einer Datenbanklösung mit komfortabler Volltextsuche.

Durchführung des NATO-Truppenstatuts und der Zusatzvereinbarungen;
hier: Regelung der Rücknahme des Verzichts auf das den deutschen Behörden auf dem Gebiet der Strafgerichtsbarkeit nach Artikel VII Absatz 3 Buchstabe b des NATO-Truppenstatuts in den Fällen der konkurrierenden Gerichtsbarkeit zustehende Vorrecht;
Anordnungen zur Beschleunigung der Strafrechtspflege des Entsendestaates im Falle der Nichtrücknahme des Verzichts auf das deutsche Vorrecht und im Falle des Vorrechts des Entsendestaates;
Berichtspflichten
RV d. JM vom 6. Oktober 1964 (9540 - III A. 8)

I.


Die Bundesrepublik ist von den Entsendestaaten (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Kanada, die Niederlande und die Vereinigten Staaten von Amerika) gemäß Art. 19 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut hinsichtlich der in Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 - BGBl. 1961 II S. 1183 - (ZA) ersucht worden, generell auf das den deutschen Behörden auf dem Gebiet der Strafgerichtsbarkeit nach Art. VII Abs. 3 Buchst. b des NATO-Truppenstatuts in den Fällen der konkurrierenden Gerichtsbarkeit zustehende Vorrecht zu verzichten. Der Verzicht der Bundesrepublik ist nach Abs. 1 Satz 2 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 19 ZA mit dem Inkrafttreten des Zusatzabkommens am 1. Juli 1963 wirksam geworden. Die Militärbehörden der Entsendestaaten haben den zuständigen deutschen Staatsanwaltschaften die Einzelfälle mitzuteilen, die unter den Verzicht fallen (Art. 19 Abs. 2 ZA).

Der Verzicht der Bundesrepublik kann zurückgenommen werden, wenn die zuständige deutsche Behörde der Ansicht ist, dass nach den Umständen des Einzelfalles "wesentliche Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit erfordern" (Art. 19 Abs. 3 Satz 1 ZA). Für die Rücknahmeerklärung ist die Staatsanwaltschaft zuständig (Art. 3 des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen). Die Erklärung ist innerhalb von 21 Tagen nach dem Eingang der Mitteilung der Militärbehörde des beteiligten Entsendestaates abzugeben (Art. 19 Abs. 3 Satz 1 ZA).

II.


Nach Absatz 2 des Unterzeichnungsprotokolls zu Artikel 19 ZA rechnen die Entsendestaaten mit der Rücknahme des Verzichts insbesondere bei folgenden Straftaten:

(1)
Straftaten, die zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes im ersten und letzten Rechtszuge gehören oder deren Verfolgung der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übernehmen kann;

(2)
Straftaten, durch die der Tod eines Menschen verursacht wird, Raub und Notzucht, soweit sich diese Straftaten nicht gegen ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges oder gegen einen Angehörigen (eines Mitgliedes einer Truppe oder eines zivilen Gefolges) richten;

(3)
Versuch solcher Straftaten oder Teilnahme an ihnen.

Die Rücknahme des Verzichts kommt aber auch bei anderen Straftaten in Betracht. Wesentliche Belange der deutschen Strafrechtspflege erfordern es, den Verzicht dann zurückzunehmen, wenn die Straftat durch die Art ihrer Ausführung oder durch ihre Folgen in der Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen erregt hat. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Tat über die örtliche Gerichtsberichterstattung hinaus Gegenstand von Erörterungen in der Presse und im Rundfunk gewesen ist oder voraussichtlich sein wird.

Außer bei Raub und Notzucht, die in Absatz 2 des Unterzeichnungsprotokolls zu Artikel 19 ZA erwähnt sind, kann daher die Rücknahme des Verzichts z. B. auch bei Sittlichkeitsverbrechen an Kindern, bei Bankeinbrüchen mit außergewöhnlich großer Beute und bei besonders verwerflichen schweren und gefährlichen Körperverletzungen angezeigt sein. Auch bei einer aufsehenerregenden fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr kann die Rücknahme des Verzichts in Betracht kommen.

Bei vorsätzlichen Tötungsdelikten wird der Verzicht regelmäßig zurückzunehmen sein.

III.


Über Straftaten, für die nach Abschnitt II eine Rücknahme des Verzichts in Betracht zu ziehen ist, ist mir beschleunigt (ggfls. fernschriftlich) zu berichten. Der Bericht ist möglichst schon vor dem Eingang der den Beginn der 21-tägigen Frist für die Rücknahme des Verzichts auslösenden Mitteilung der Militärbehörde des beteiligten Entsendestaates zu erstatten.

Der Bericht muß sich über die beabsichtigte Sachbehandlung aussprechen. Meine Entschließung ist abzuwarten.

Erfolgt aufgrund meiner Entschließung eine Rücknahme des Verzichts, so ist mir sowohl hierüber als auch über Einwendungen, die von den Militärbehörden des Entsendestaates gegen die Rücknahme erhoben werden, beschleunigt (ggfls. fernschriftlich) zu berichten.

Berichtspflichten aufgrund anderer Bestimmungen bleiben unberührt.

IV.


Kommt eine Rücknahme des Verzichts nach Abschnitt II nicht in Betracht oder hat der Entsendestaat nach Artikel VII Absatz 3 (a) des NATO-Truppenstatuts das Vorrecht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit, so soll die Staatsanwaltschaft nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zur Beschleunigung der Strafrechtspflege des Entsendestaates beitragen:

1.
Hat die Staatsanwaltschaft einen Ermittlungsvorgang an die zuständige Behörde des Entsendestaates weiterzuleiten, weil diesem aufgrund des allgemeinen Verzichts der Bundesrepublik die Ausübung der Gerichtsbarkeit zusteht, so soll sie zugleich mit der Weiterleitung die Erklärung abgeben, dass der Verzicht auf das Vorrecht nicht zurückgenommen werde.

2.
Hat der Entsendestaat das Vorrecht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit nach Artikel VII Abs.3 (a) des NATO-Truppenstatuts (Diensthandlung oder Verletzung ausschließlich eigener Rechtsgüter), so soll die Staatsanwaltschaft bei der Weiterleitung der Vorgänge geeignetenfalls erklären, dass sie ein Ersuchen um Verzicht auf das Vorrecht nicht beabsichtige.

3.
Erhält die Staatsanwaltschaft durch eine Mitteilung der Militärbehörde nach Artikel 19 Abs. 2 ZA von einem Ermittlungsverfahren Kenntnis, so soll sie möglichst schon mit der Eingangsbestätigung die Erklärung verbinden, dass der Verzicht nicht zurückgenommen werde.

V.


Der Bundesminister der Justiz hat die Landesjustizverwaltungen gebeten, ihn auch künftig über besonders bedeutsame Einzelfälle und über besondere Erfahrungen und Vorkommnisse von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten und ihm, wenn in der Zusammenarbeit mit den Militärbehörden der Entsendestaaten Mängel und Schwierigkeiten auftreten, die es wünschenswert erscheinen lassen, dass das Bundesjustizministerium mit Vertretern des Entsendestaates in Verbindung tritt, auch hiervon Mitteilung zu machen.

Ich bitte, mir in einschlägigen Fällen zu berichten, damit ich den Bundesminister der Justiz unterrichten kann.

VI.


Die Berichte nach Abschnitt III und V sind jeweils in zwei Stücken vorzulegen.

VII.


Soweit sich die Notwendigkeit, den Bundesminister der Justiz zu unterrichten, aus den Bestimmungen des Zusatzabkommens selbst ergibt (z. B. Art. 17 Abs. 2 und 3, Art. 18 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4), bitte ich, mir den Bericht in fünf Stücken vorzulegen.

VIII.


Die RV vom 6. März 1964 (9540 - III A. 8) hebe ich auf.