Justizverwaltungsvorschriften
Anordnung und Dauer der Untersuchungshaft
RV d. JM vom 29. Juli 1965 (4104 - III A. 17)
Die Anordnung der Untersuchungshaft ist als Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit eine besonders einschneidende Maßnahme. Um sicherzustellen, dass in jedem Einzelfall mit grösster Sorgfalt geprüft wird, ob die Untersuchungshaft erforderlich und nach den gesetzlichen Bestimmungen gerechtfertigt ist, ordne ich folgendes an:
1.
In den Fällen, in denen der Haftbefehl nicht auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen oder die Vorführung des vorläufig Festgenommenen vor den Haftrichter nicht von der Staatsanwaltschaft veranlasst worden ist, prüft der Staatsanwalt bei der ersten Vorlage einer Haftsache sorgfältig, ob nach den Umständen des Falles die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft geboten ist. Dabei berücksichtigt er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) und achtet darauf, ob der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen (§ 116 Abs. 1 bis 3 StPO) erreicht werden kann. Das wesentliche Ergebnis dieser Prüfung ist aktenkundig zu machen.
2.
Anträge und Erklärungen, welche die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft betreffen, sind zu begründen. Dabei sind die Tatsachen anzuführen, aus denen sich der dringende Tatverdacht und der Haftgrund ergibt. Soweit durch das Bekanntwerden der angeführten Tatsachen die Staatssicherheit gefährdet wird, weist der Staatsanwalt hierauf hin. Liegt die Anwendung des § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO nahe oder beruft sich der Beschuldigte auf diese Vorschrift, so sind die Gründe dafür anzugeben, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anordnung oder der Fortdauer der Untersuchungshaft nicht entgegensteht.
3.
Der Staatsanwalt prüft während des Fortgangs der Ermittlungen laufend, ob die Voraussetzungen der Untersuchungshaft noch vorliegen, ob die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung nicht außer Verhältnis steht (§ 120 StPO) und ob der Vollzug des Haftbefehls ausgesetzt werden kann (§ 116 Abs. 1 bis 3 StPO).
4.
Der Staatsanwalt prüft vor Ablauf der in § 117 Abs. 4 StPO bezeichneten Frist, ob die Bestellung eines Verteidigers für die Dauer der Untersuchungshaft zu beantragen ist.
5.
In den Fällen des § 117 Abs. 4 und 5 StPO sorgt der Staatsanwalt dafür, dass die Akten rechtzeitig dem Gericht vorgelegt werden.
Die Untersuchungshaft kann, solange kein Urteil ergangen ist, das auf eine Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Sicherung und Besserung erkennt, über die Dauer von sechs Monaten hinaus nur unter den Voraussetzungen des § 121 StPO aufrechterhalten werden. Die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft ist dem Oberlandesgericht vorbehalten, dem die Akten innerhalb der Frist von sechs Monaten vorzulegen sind. Der Staatsanwalt hat die Akten dem zuständigen Haftrichter so rechtzeitig zuzuleiten (§ 122 Abs. 1 StPO), dass die fristgerechte Vorlage der Vorgänge an das Oberlandesgericht gewährleistet ist.
Bei der Vorlage der Akten an den Generalstaatsanwalt sind die Gründe darzulegen, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus rechtfertigen.
Hat das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet, so sorgt der Staatsanwalt auch für die rechtzeitige Herbeiführung der weiteren nach § 122 Abs. 3 und 4 StPO erforderlichen gerichtlichen Entscheidungen.
Durch die Haftprüfung darf der Fortgang der Ermittlungen nicht aufgehalten werden. Damit der Staatsanwalt das Verfahren auch dann fördern kann, wenn die Akten dem Gericht vorliegen, sind in Haftsachen grundsätzlich Hilfsakten anzulegen. In die Hilfsakten sind alle wesentlichen Verfahrensvorgänge aufzunehmen. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass der Innenminister des Landes NRW die Kreispolizeibehörden mit Erlass vom 14. 6. 1965(Fn 1) (MBl. NW. S. 743 - SMBl. NW. 20510) angewiesen hat, in allen Haftsachen die Ermittlungsunterlagen, die von der Polizei erstellt werden (z.B. Vernehmungsniederschriften, Berichte, Skizzen, Lichtbilder), den Justizbehörden in doppelter Ausfertigung zu übersenden.
In Haftsachen, die zur Zuständigkeit des Amtsgerichts, insbesondere des Einzelrichters gehören, ist in geeigneten Fällen Antrag auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren zu stellen.
Die Rundverfügung vom 13. Oktober 1962 (4104 - III A. 17) hebe ich hiermit auf.
Fußnoten :
Fn1: Der Erlass des IM vom 14.06.1965 ist ersatzlos aufgehoben.