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Unterweisung der Schöffen
RV d. JM vom 3. März 1986 (3221 - III A. 2)
in der Fassung vom 14. Juli 2004


I.


Die Mitwirkung von Schöffen in der Strafrechtspflege soll einer lebensnahen, vom Volke verstandenen und bejahten Rechtsprechung dienen. Um dieses Anliegen zu verwirklichen, ist es notwendig, bei den Schöffen Interesse, Freude und Verantwortungsgefühl für ihr Ehrenamt zu wecken und zu erhalten und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie als gleichberechtigte Richter an der Wahrheits- und Rechtsfindung teilnehmen.

Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Laienbeteiligung in der Strafrechtspflege wirksam wird, ist eine wichtige Aufgabe der Justiz. Der Schöffe muss in lebensnaher Weise mit seinem verantwortungsvollen Amt als Strafrichter, mit dem Gang und der Wirkungsweise des Strafverfahrens, mit dem Sinn und dem Zweck staatlichen Strafens und mit den Arten und dem Vollzug der Strafen vertraut gemacht werden. Diesem Ziel dienen die Unterweisungen der Schöffen.

II.


Die Unterweisung wird in den Landgerichtsbezirken unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse durchgeführt. Da es im Rahmen der allgemeinen Unterweisung der Schöffen kaum möglich ist, die Jugendschöffen mit den Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens in dem gewünschten Maße vertraut zu machen, wird die Unterweisung der Jugendschöffen getrennt von der allgemeinen Unterweisung der Schöffen durchgeführt.

Mit den Unterweisungen soll möglichst zu Beginn der Amtszeit der Schöffen begonnen werden. Die Teilnahme ist freiwillig. Ein Teilnehmerkreis von 40 bis 60 Personen ist anzustreben. Zwei bis drei Zusammenkünfte desselben Teilnehmerkreises haben sich als zweckmäßig erwiesen.

Die erforderlichen Anordnungen über die Unterweisung trifft der Präsident des Landgerichts (Amtsgerichts).

1)
Mit der Unterweisung der Schöffen sind befähigte Strafrichter (Jugendrichter) zu betrauen, die im Umgang mit Schöffen besonders erfahren sind und die Gewähr bieten, dass sie sich der ihnen obliegenden Aufgabe mit Freude und Aufgeschlossenheit widmen. Die Auswahl trifft der Präsident des Landgerichts (Amtsgerichts). Im Rahmen der Unterweisungen ist einem Staatsanwalt (Jugendstaatsanwalt) Gelegenheit zu geben, den Schöffen die Stellung und die Aufgaben der Staatsanwaltschaft in Strafverfahren nahe zu bringen und ihre Fragen zu beantworten. Der Leitende Oberstaatsanwalt wählt geeignete Staatsanwälte (Jugendstaatsanwälte) aus und benennt sie dem Präsidenten des Landgerichts (Amtsgerichts).

2)
Bei der Unterweisung ist jede wissenschaftliche Schulung der Schöffen in der Anwendung der Strafgesetze zu vermeiden. Den Schöffen soll nicht eine juristische Halbbildung vermittelt werden, die dazu führen kann, dass die im Wesen des Laienrichtertums liegende Unbefangenheit und das natürliche Denken und Urteilen der Schöffen zum Nachteil der Rechtsprechung beeinträchtigt werden. Das Ziel der Unterweisung soll vielmehr darin bestehen, den Schöffen ein Bild von dem Strafverfahren und den Auswirkungen des Urteilsspruchs zu geben, damit sie sich ihrer Aufgaben und ihrer Stellung im Rahmen der Strafrechtspflege bewusst werden.

Die Erörterung folgender Themen hat sich in der Praxis als besonders fruchtbar erwiesen:

Der Aufbau der Gerichte und der Staatsanwaltschaften; der Gang des Strafverfahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens unter Berücksichtigung der Aufgaben der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Ermittlungsrichters; die Hauptverhandlung (Tatsachenfeststellung, Beweisaufnahme, Urteilsfindung); die an der Hauptverhandlung beteiligten Personen (Berufsrichter und Schöffen als erkennendes Gericht, ihre Rechte und Pflichten, der Angeklagte und sein Verteidiger, der Staatsanwalt und der Nebenkläger); die Strafen, ihr Sinn und Zweck -unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsinstituts der Strafaussetzung zur Bewährung in seiner kriminalpädagogischen Bedeutung und als Mittel zur Resozialisierung des Täters; die Rechtsmittel und die Wiederaufnahme des Verfahrens; der Strafvollzug; das Verhältnis von Urteilsspruch zur Gnade.

Bei der Behandlung dieser Themen vor den Jugendschöffen kommt es darauf an, diesen einen lebendigen Eindruck von dem Zusammenwirken von Jugendrichter, Jugendstaatsanwalt, Verteidiger, Jugendgerichtshilfe, Erziehungsberechtigten und Bewährungshelfer nach dem Jugendstrafverfahren zu vermitteln. Die verschiedenen Möglichkeiten staatlicher Reaktion gegenüber jugendlichen Beschuldigten und das Wesen der Erziehungsmaßregeln, der Zuchtmittel und der Jugendstrafe sollen dem Jugendschöffen vertraut sein. Auch die wesentlichen Gesichtspunkte, die für die Anwendung von § 105 JGG bedeutsam sind, sollen dargelegt werden. Im Anschluss, an die Unterweisung ist den Schöffen ausreichend Gelegenheit zu geben, selbst das Wort zu ergreifen und Fragen zu stellen.

3)
Um den Schöffen eine Vorstellung von den Auswirkungen des Urteilsspruchs, insbesondere vom Vollzug der Freiheitsstrafe zu vermitteln, empfiehlt es sich, im Rahmen der Unterweisung oder im Anschluss daran eine Vollzugsanstalt zu besichtigen. Für Jugendschöffen kommt in erster Linie die Besichtigung einer Jugendarrestanstalt oder Jugendstrafanstalt in Betracht.

III.


(Fn 1)
Den Schöffen ist für die Teilnahme an den Unterweisungen eine Entschädigung zu gewähren. Umfang, Geltendmachung und Erlöschen des Entschädigungsanspruchs sowie dessen Verjährung richten sich nach dem Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten.

IV.


Die Rundverfügungen vom 18. November 1959, 7. Oktober 1969 und 11. April 1973 (3221 - III A. 2) hebe ich auf.

Die Änderung tritt mit Wirkung vom 1. August 2004 in Kraft.


Fußnoten :

   Fn1: Geändert durch RV des JM vom 14. Juli 2004 (3221 - III. 2)